Seite:Posse Band 5 0150.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

unteren Rande umgebogen, die doppelte Pergamentlage mit einem schmalen Querschnitt (für Pressel, Pergamentstreifen) oder mit zwei bis drei Löchern (für Schnüre, Seidenfäden, Seidenbänder, Wolle- und Leinenfäden und -Bänder) versehen und dadurch die Anhängeschnüre einfach oder verschlungen durchgezogen. Die Pressel ist entweder ein besonderer Streifen[1] oder wird, wie das seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, namentlich bei Privaturkunden, nachweisbar ist, so von dem Pergament der Urkunde geschnitten, daß sie mit diesem noch teilweise zusammenhängt[2].

Über die Farbe der Seidenschnur scheint anfänglich keine Regel bestanden zu haben. Schon in der ältesten Stauferzeit finden sich für die Zwecke des Anhängens der Siegel besonders rote und rotgelbe, vereinzelt auch gelbe und grüne, gelbbraune, grünrote, grün-gelbe, grün-rot-gelbe, grün-schwarz-rote, weiß-rote, schwarz-weiß-rote Seidenfäden verwendet.

So war es auch in den Kanzleien Friedrichs II. (1212–1220), Heinrichs (VII.) und Konrads IV. In der sizilischen Periode Friedrichs II. ist rot die streng eingehaltene Regel[3]. In der nachstaufischen Zeit herrschen Gelb, Grün und Weiß vor[4]. Unter Ludwig IV. wurde eine Zusammendrehung von grünen und roten Seidenfäden bevorzugt[5]. Erst seit Karl IV. lassen sich festere Regeln für die Farbenbestimmung feststellen. Hierbei kann leicht ein Irrtum entstehen. Lindner[6] macht darauf aufmerksam, daß die Art, in der die Urkunden aufbewahrt werden, hierbei häufig von Einfluß gewesen sind. Frei zutretende Luft oder gar Feuchtigkeit haben gegenüber den dauernd in Kästen verschlossenen, oft nicht nur Verblassen, sondern selbst Verwandlung der Farben herbeigeführt. So wird z. B. Grün zu Gelb, Roth zu Rosa, Gelb zu Braun usw. Auch chemische Veränderungen haben im Laufe der Jahrhunderte sich geltend gemacht, die teils den Stoff selbst, teils die Farbe angriffen.

Am auffälligsten läßt sich das bei der schwarzen Seide, die manchmal in Braun oder Dunkelblau sich verwandelt hat, nachweisen. Die Erfahrung lehrt, daß schwarze Seide leichter bricht, als andere, was in dem Färbeprozeß liegt. Das kommt oft bei schwarz-gelben Seidenschnüren und da wieder namentlich unter Karl IV. vor. Außerordentlich häufig sind nur die gelben Farben erhalten. Bei genauerer Untersuchung entdeckt man jedoch im Bug der Urkunde die Reste der schwarzen Fäden als Zeugen der früheren Beschaffenheit der Schnur. Lindner glaubt deshalb mit Bestimmtheit behaupten zu können, daß in allen Urkunden von 1355 an, die heute nur gelbe Schnur zeigen, dieselbe ursprünglich schwarz und gelb war[7].

In der ersten Zeit Karls IV. begegnen wir mannigfachen Farben: Rot mit Grün und Rot mit Gelb, die gleichmäßig oft vorkommen, während unter Ludwig IV. die ersteren mit besonderer Bevorzugung und auch die letzteren verwendet sind. Das deutet auf die Berücksichtigung des Kanzleibrauches des Vorgängers in den ersten Regierungsjahren hin. Daneben aber treten andere Kombinationen auf. Selten sind Schnuren einfarbig, so z. B. grün, während Purpur fünfmal und nicht bloß an Goldbullen gefunden wurde. Einmal fand sich eine rein gelbe Schnur.

Am häufigsten ist die Verbindung zweier Farben: außer den erwähnten Rot-Grün oder Rot-Gelb: Violett (oder Dunkelblau) mit Grün, Violett mit Gelb, Grün mit Gelb, Grün mit Weiß, Roth mit Weiß.

Nur vereinzelt kommen auch dreifarbige Schnuren vor: Grün-Rot-Gelb und Schwarz-Rot-Gelb. Die Verschiedenheit der Farben ist gewiß auf Zufälligkeiten zurückzuführen[8].


  1. Aus den späteren Jahren Karls IV. hat Lindner a. O. 43, 185, zwei Urkunden (Huber Reg. 3751, 52, Or. Stuttgart), die der Kaiser für den Grafen Eberhard von Württemberg am 5. Oktober 1361 ausstellte, gefunden, von denen die eine die Pressel in anderer Weise angebracht zeigt. Bei dieser ist die Pressel durch den Bug eingehangen, das andere hat die gewöhnliche Einhängung. Beide Urkunden sind von nicht kanzleimäßiger Hand geschrieben. Vermutlich ist die erste Urkunde von dem württembergischen Kanzlisten schon zur Besiegelung fertig gemacht in die kaiserliche Kanzlei gebracht worden, wo er dann das Datum hinzufügte und die zweite Urkunde, die ohne Unterbrechung geschrieben erscheint, erst nach erhaltener Weisung anfertigte.
  2. Urk. 1347 März 28 (Huber Reg. 318, Or. Wien). Unter Friedrich I. verwendete man bei den größeren Diplomen die seidene Schnur, bei kleineren Ausfertigungen den Pergamentstreifen. Diese beiden Mittel halten sich auch bis in die Zeit Friedrichs II., in der allerdings auch Seidenbänder, wollene und leinene Fäden oder Bänder und dergl. zur Befestigung des Siegels benutzt wurden. Erben a. O. 1, 228.
  3. Philippi a. O. 57.
  4. Sybel und Sickel a. O. 228.
  5. Zur Befestigung des Siegels diente, den Originalurkunden Ludwigs im Hauptstaatsarchiv Dresden zufolge, in 30 Fällen der Pergamentstreifen, in 32 Fällen Seide, fast immer nur kunstlos zusammengedrehte Fäden. Im Gebrauch der Fäden herrscht die bunteste Mannigfaltigkeit, doch wurde die Zusammendrehung von grünen und roten Fäden bevorzugt, denn von den erhaltenen 30 Fällen gehören 15 diesen Farben an. Fünfmal (Or. 2266a, 2518, 2557, 2698, 2828) finden sich nur rote, je zweimal grüne (2433, 2580) und gelb-rote Fäden (2482, 2581), alle anderen Farben bezw. Farbenverbindungen je einmal, so gelb (2421), rosa-grün (2695), blau-grün (2810), schwarz-rot (2549), rosa-schwarz-gelb (2859), rot-grün-gelb (2635). Sowohl der Zeit der Ausstellung, wie dem Inhalt nach, lassen sich für die Verwendung dieser oder jener Farbe keinerlei bestimmte Grundsätze feststellen, nach denen die Beamten verfahren wären. Manche vereinzelt auftretende scheinen nur aus Verlegenheit, in Ermangelung anderer, benutzt worden zu sein. Nur für rot und grün ist eine gewisse Vorliebe nicht zu verkennen, da beide zusammen oder je in Verbindung mit anderen oder auch jede allein am häufigsten auftreten. Vgl. W. Lippert in Mitteilungen des Inst. für österr. Gesch. 13, 603.
  6. Lindner a. O. 56.
  7. Eine goldene Bulle Karls IV. (Or. Kloster Marienthal in Sachsen 1357 Aug. 17), zeigt aber gelbe Fäden, die sicher immer gelb gewesen sind.
  8. Ein bestimmter Zweck hat dieser Verschiedenheit gewiß nicht zu Grunde gelegen. Daß der Zufall entschied, lehrt am besten die Reihe von 22 Urkunden des Hauptstaatsarchivs zu Dresden, die unter dem Datum vom 6. bis 18. Februar 1350 auf einmal in Bautzen gegeben sind. Von ihnen haben zwei Pergamentstreifen, 15 die rot-grüne, 5 die grün-gelbe Schnur, ohne daß sich im Inhalte eine Begründung des Unterschiedes ergäbe.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)