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Der häufige Wechsel in der Farbenzusammenstellung, den wir bei den einzelnen Siegelführern im 13. und 14. Jahrhundert beobachten können, spricht gegen die Annahme, daß schon damals bei der Auswahl die Wappenfarben der Betreffenden oder die Farben ihres Landes maßgebend gewesen sind[1]. Erst Anfang 1355 wird schwarz-gelbe Siegelschnur verwendet. Karl IV. nahm also die neue Farbe, die des Reiches, an, noch ehe er zum Kaiser gekrönt war. Seit dem Krönungsakte vom 5. April 1355 an ist sie, wenn auch nicht ausnahmslos[2], die gebräuchliche[3]. Die breslauer Kanzlei bediente sich regelmäßig jener grün-roten Schnur.

Die Siegelschnur an den Urkunden Wenzels ist in dieser Zeit rot-weiß, also in den Farben Böhmens, seit der Krönung zum römischen Könige (1376 Juli 6) allein und ohne jede Ausnahme schwarz-gelb[4].

Da Wenzel fortfuhr, mit schwarz-gelber Schnur zu siegeln, hielt es die Kanzlei Ruprechts wahrscheinlich für geeignet, diese Farben nicht anzunehmen. Mehrere Urkunden vom 6.–8. Januar 1401 haben eine violett-gelbe Schnur, vom 6. Mai desselben Jahres ab sind die Farben jedoch ausschließlich hellblau-gelb.

Als am 4. Februar 1402 Wenzel seinem Bruder Sigismund auch die Regierung Böhmens übertrug und bald darauf in dessen Gefangenschaft geriet, finden wir auch die schwarz-gelbe Schnur von ihm angewandt an der Ausfertigung vom 17. Sept. 1402, während die deutsche Ausfertigung derselben Urkunde mit rotweißer Schnur (ungarische Farben) versehen ist.

Nach dem Tode Wenzels (16. Aug. 1419) hat Sigismund die Farbe der Siegelschnur geändert. Vielleicht war es ein vertragsmäßig festgesetzter Ehrenvorzug für Wenzel, wenn Sigismund als römischer König die blau-rote, die Farben seiner luxemburger Familie, annahm. Vom 14. Januar 1420 ab sehen wir ausschließlich die schwarz-gelbe. Als Sigismund Kaiser geworden, behielt er diese Farben bei, nur die goldene Bulle ist stets mit purpurroter Schnur befestigt.

Ebenso hat auch Albrecht II. als König nur schwarz-gelbe Seidenschnüre in Reichsurkunden verwendet, ohne daß übrigens die Seidenschnüre auf Majestätssiegel beschränkt und eine bestimmte Abgrenzung bei Wahl von Pressel oder Seidenschnur zu bemerken wäre.

Unter Friedrich III. findet sich das Schwarz-gelb überhaupt nicht. Seine Kanzlei griff zurück auf die unter Ludwig IV. und in den ersten Zeiten Karls IV. beliebten Farben grün-rot. In den ersten Jahren (1440–42), wo besonders die Siegel II, Taf. 24, 5 und 6 vorkommen, werden Pressel und grün-rote Seidenschnüre recht unterschiedslos verwendet. Als dann von 1442 an das Majestätssiegel (II, Taf. 23, 1. 2) begegnet, da wird regelmäßig grün-rote Seidenschnur beim Majestätssiegel, Pressel beim Sekret verwendet. Ausnahmen kommen vor, sie sind jedoch selten. Während noch Urkunden vom Januar 1453 die grün-rote Seidenschnur haben, findet sich nachweislich für Reichsurkunden seit dem 6. Juni 1453 die rote Farbe der Seidenschnur, mit vereinzelten Ausnahmen für das Majestätssiegel, das Sekret ist, wie bisher, an Pressel gehängt.

Die Wahl der roten Farbe ist an sich nicht so unverständlich, galt sie doch in jener Zeit als die „sanguinea vel imperialis“, als Bezeichnung des Blutbannes, der Regalien, deren Verleihung noch eines der vornehmsten Vorrechte des Kaisers bildete. Erst Maximilian I. hat die schwarzgelbe Schnur zur bleibenden Einrichtung gemacht. So führte auch Ferdinand I., der als König weiß-rote (böhmische) und goldene Schnüre verwenden ließ, in der Kaiserzeit schwarz-gelbe und goldene.

Seit Maximilian II. verwendet die Reichskanzlei die schwarz-gelbe Schnur, nur selten die goldene, während die böhmische Kanzlei für ihr großes Siegel Gold, mit seltenen Ausnahmen Schwarz-gelb, für ihre Sekrete die letzteren Farben in Anwendung bringt. Nur einmal, unter Ferdinand II., fand ich ein böhmisches Sekret mit weiß-roter Schnur (Or. Dresden 12964, 1628 9/2).

Von der Herstellung der Metallsiegel (Blei oder Goldbullen) war an anderer Stelle (S. 140) die Rede. Zwecks Anhängens der Bullen am unteren Rand des Pergamentes, meistens in der Mitte, sind die Urkunden am unteren leeren oder mit der Datumzeile beschriebenen Rand breit umgebogen und die Schnüre durch die doppelte Pergamentlage zwei- oder mehrmal, einfach oder verschlungen durchgezogen. Zuweilen ist auch das Umbiegen des Pergaments unterblieben oder der Riemen nur durch ein Loch gezogen.

Wie bei den hängenden Wachssiegeln dienen zum Befestigen der Bleibullen teils Seidenschnüre, teils Hanfkordel, teils Pergamentstreifen oder, was die Regel gewesen zu sein scheint, Lederriemen.

Bei den Goldbullen bildet Seide den regelmäßigen Befestigungsstoff. Sie war meist in losen Fäden zusammengefaßt, welche durch die im Rand der Bulle oben und unten angebrachten Öffnungen hindurchgezogen und im Innern entweder durch die in der Dicke des Randes eingelegte Wachsschicht oder vermittels Knoten durch die Ösen, die auf der Rückseite der dünnen Platten aufgelötet waren, festgehalten wurden[5].


  1. Ilgen a. O. I. 4, 25.
  2. Vgl. 149 Anm. 7.
  3. Lindner a. O. 59 kennt nur 14 Urkunden aus Karls IV. Kaiserzeit, die statt schwarz-gelber Schnur roth-grüne, rot-gelbe oder andersfarbige tragen, und von ihnen sind fünf aus dem ersten Jahre, dann eine Gruppe von sechs an einem Tage gegeben. Es konnte wohl wie mit dem Pergamente geschehen, daß der Vorrat an schwarz-gelber Schnur ausging und der Kanzlist sich anders behelfen mußte, oder es wurde die an der fertig geschrieben vorgelegten Urkunde bereits befestigte Schnur benutzt.
  4. Lindner a. O. 61, 62, 68.
  5. Ilgen a. O. I. IV. 25.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)