Seite:Posse Band 5 0159.jpg

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Je mehr die Idee des römischen Imperatorentums im Mittelalter lebendig wurde, um so mehr mußte die Erinnerung an den siegreichen Legionsadler der Römer in den Vordergrund treten. Auf ihn geht jedenfalls in letzter Linie der Adler als Zeichen des Imperiums zurück. Als solchen hatte ihn schon Heinrich VI. im Wappen geführt[1].

Wertvolle Ergebnisse über das Aufkommen des Adlers, als deutsches Wappen, bringen die Untersuchungen Hauptmanns über die Wappen in der 1250–1253 hergestellten Historia minor des Matthäus Parisiensis[2]. Daß der Verfasser der Chronik darüber gut unterrichtet war, kann keinem Zweifel unterliegen. König Heinrich III. von England, sein Freund und Gönner, war der Vetter Kaiser Ottos IV. und der Schwager seines Nachfolgers Friedrichs II. Es bestanden somit enge Beziehungen zwischen dem englischen und dem kaiserlichen Hofe, so daß man in St. Albans leicht erfahren konnte, welche Zeichen diese Kaiser auf ihren Schilden trugen.

Matthäus bringt zuerst 1198 bei Gelegenheit der Krönung Ottos IV., ein zweites Mal 1199 bei seiner Kaiserkrönung in Rom das deutsche Wappen, und zwar gibt er ihm in rot-golden gespaltenem Schilde, rechts drei halbe, aus der Spaltungslinie hervorbrechende Leoparden, links einen halben schwarzen Adler, also die monogrammatische Vereinigung der Wappen von England und Deutschland. Daß Otto wirklich diese auffallende Vereinigung führte, sagt Matthäus ausdrücklich: scutum Ottonis imperatoris, cuius medietas de scuto est imperii, alia vero de scuto regis Angliae. Seltsam ist es, daß Otto den Kaiseradler mit dem englischen Wappen und zwar dem Wappen seiner Mutter Mathilde, der Tochter König Heinrichs II. von England verband, und das Wappen seines Vaters nicht führte. Daß an der Zuverlässigkeit unseres Chronisten nicht zu zweifeln ist, geht daraus hervor, daß seine Angabe von dem Dichter Thomasin von Zerkläre in seinem „Wälschen Gast“ (entstanden 1216) bestätigt wird[3], und das Wappen von Ottos Witwe Maria von Brabant (I, Taf. 26, 3) genau mit dem von Matthäus gegebenen Wappen Ottos übereinstimmt.

Wenn Ottos Adler noch kein Doppeladler war, dann ist das Zeichen des Imperiums bald dazu geworden, und zwar hat Friedrich II. diese Änderung vorgenommen. Hierfür dürfte Matthäus der erste und einzige und wohl auch zuverlässigste Zeuge sein. Als Friedrichs Wappenschild malt er, bei Erzählung seines Todes (1250), einen gestürzten gelben Schild an den Rand mit einem schwarzen Doppeladler. Den gleichen Adler finden wir auf dem von Pusikan veröffentlichten Wappenblatt des Matthäus. Scutum imperatoris Romae hat Matthäus dabei bemerkt. Und nicht nur Friedrich II., sondern auch alle seine ehelichen und unehelichen Söhne führen ihn, freilich jeder mit einem besonderen Beizeichen, in dem sie wohl als Kaisersöhne auf ihn Anspruch machten[4].

Finden wir den Adler gleichmäßig bei den Kaisern Heinrich IV., Otto IV. und Friedrich II., also bei dem Welfen ebensogut, als bei den Staufern, dann war er damals sicher das Zeichen des Kaisertums, nicht aber das des welfischen oder staufischen Hauses.

Merkwürdigerweise bringt Matthäus den Adler nicht mehr bei den folgenden Kaisern. Von zweien, Heinrich Raspe[5] und Wilhelm von Holland[6], teilt er uns die Wappen mit.


  1. Mit einem goldenen Adler auf Schild, Helm und Decke bildete ihn Peter von Ebulo um 1195 in seinem Carmen in honorem Augusti ab (herausgeg. von E. Winkelmann 1874) Jahrbuch der Gesellsch. Adler 1897 S. 58, 62. – Gritzner a. O. 46.
  2. Jahrb. der Gesellsch. Adler 1909 S. 19.
  3. ich sprach, daz niene sah
    in iemens schilt dri lewen gar
    erschienen und ein halber ar (12354).

  4. Heinrich, der 1219 als neunjähriger Knabe zum Nachfolger seines Vaters gewählt und 1222 in Aachen zum römischen König gekrönt wurde, halbierte den Adlerschild mit einem silbernen Ankerkreuz in Rot. Es ist schon darauf hingewiesen worden (Seyler, Heraldik S. 283; Anthony v. Siegenfeld, Das Landeswappen der Steyermark S. 381; Jahrbuch des Adler 1895 S. 63), daß dieses Kreuz wahrscheinlich der alten Reichsfahne entnommen wurde, die nach vielen Zeugnissen ein Kreuz enthielt. Heinrich starb nach langer Haft im Kerker (1242). Dreizehn Jahre lang höchstens hat demnach dieser Wappenschild in Deutschland geglänzt. Dann sank er hin, um sich nie mehr zu erheben. Und dennoch hat er eine unvertilgbare Spur hinterlassen. Das ist das Stadtwappen von Memmingen. Gerade in der verhältnismäßig kurzen Zeit der Regierung des Königs Heinrich, der zugleich Herzog von Schwaben war, ließen die Bürger von Memmingen, das damals noch nicht reichsfrei, sondern eine herzoglich schwäbische Stadt war, sich ein Siegel stechen. Darein setzte man das Wappenbild des Landesherrn, des Herzogs Heinrich, allerdings in umgekehrter Stellung – das Kreuz rechts und den Adler links und weiter mit der Änderung, daß statt des halben ein ganzes Kreuz erschien. Vom Jahre 1230 haben wir den ältesten Abdruck. In der Folge wurde dann des Herzogs Wappen zu dem der Stadt (abgeb. N. Siebmacher I, 1, II, Taf. 1, 10). – Konrad, ein Sohn Jolanthes, der 1237 zum Könige von Deutschland gewählt wurde und 1254 als König von Sizilien starb, führte den Doppeladler mit einem nicht genau zu erkennenden Beizeichen zwischen den Köpfen des Adlers. – Heinrich, ein Sohn aus der Ehe Friedrichs II. mit Isabella von England, führte einen von England und Deutschland gespaltenen Schild, also genau das gleiche Wappen wie Otto IV. und auch aus dem gleichen Grunde, eine Vereinigung des Wappens der Mutter mit dem seinigen. – Und nicht nur die ehelichen, auch die unehelichen Söhne Friedrichs II. führten den Doppeladler. Enzio hat ihn in einen grün-golden gespaltenen Schild gesetzt, Manfred überdeckte ihn mit einem weißen Balken.
  5. Für Heinrich Raspe malt Matthäus zwei Wappen hin. Das erste ist seltsam: ein von Gold und Blau gestandener Schild, dessen Felder und Herzstelle mit je einem roten, weiß bordierten Ballen belegt ist. Ob Heinrich wirklich dieses Wappen zu Zeiten geführt hat? Überliefert ist es sonst nirgendwo. Und da Matthäus wohl keine Beziehungen zu Heinrich hatte, ist allerdings die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dem sonst gut unterrichteten Chronisten habe hier keine zuverlässige Quelle zu Gebote gestanden. Das andere Wappen ist ein goldener Adler in Blau. Doch dürfte dieser als das Wappen der Pfalzgrafschaft Sachsen anzusprechen sein. Vgl. Posse, Die Siegel der Wettiner II., S. 7.
  6. Dem Gegenkönig Wilhelm von Holland gibt Matthäus zwei Wappen, von denen keines das Reichswappen ist. Das erste ist der rote Löwe in Gold der Grafen von Holland, das andere dürfte das Wappen der ihm gehörigen Grafschaft Seeland sein. Daß es nicht das von Wilhelm als König geführte Wappen ist, ergibt sich daraus, daß Matthäus beim Tode Wilhelms nicht diesen angeblichen [159] Königsschild, sondern das Wappen von Holland, und zwar mit der Königskrone malt. Vgl. a. Gritzner a. O. S. 63.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0159.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)