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Den einköpfigen Adler finden wir dann wieder auf dem Siegel des Königs Alfons (I, Taf. 39, 6), das durchaus südländische Herkunft verrät. Hier hält der Herrscher statt des bisherigen Lilien- oder Kreuzzepters ein solches, das über zwei aufeinander stehenden Kugeln einen einköpfigen Adler mit ausgebreiteten Schwingen und, hier zum ersten Male, einen Nimbus auf dessen Kopf zur Darstellung bringt.

Während das Thronsiegel Rudolfs I. (I, Taf. 40, 4) im Gesamttypus sich dem seiner Vorgänger anschließt, tritt daneben ein Sekretsiegel auf, als erstes seiner Art, das den Adler im Felde enthält (I, Taf. 41, 5); ein solches ist auch von Albrecht I. verwendet worden (I, Taf. 45, 3), während unter Heinrich VII. ein Adlersiegel aufkommt (I, Taf. 47, 2), mit dem römischen Adler, d. h. einem natürlichen, nicht heraldischen, dem römischen Legionsadler ähnlichen.

Es kommen sodann nebeneinander das Siegel mit dem heraldischen Adler und dem letztgenannten vor, den auch Ludwig IV., Karl IV. und Günther von Schwarzburg beibehalten haben[1].

Dieser einköpfige Adler wird von den genannten Herrschern während der Königs- und Kaiserzeit geführt.

Die wichtigste Veränderung am Reichswappen vollzog sich unter Ludwig IV.: an Stelle des einfachen Adlers tritt plötzlich der Doppeladler. Während sich das Königssiegel Ludwigs (I, Taf. 50, 5) bis auf geringe Abwandelungen in Tracht und Ausstattung mit den übrigen Attributen den bisherigen Thronsiegeln anpaßt, zeigt das Kaisersiegel Ludwigs (I, Taf. 51, 1) eine durchgreifende Veränderung. Abgesehen davon, daß das gotische Throngestühl ganz wegfällt, wird dem Herrscher statt des bisher üblichen Laubzepters ein solches gegeben, das an der Spitze ein Kreuz und darauf einen einfachen Adler trägt. Zu beiden Seiten der Thronenden und zwar stehend auf den zwei Löwen, welche die Füße des Kaisers stützen, erscheint je ein dem Kaiser zugewandter natürlicher Adler.

In Gestalt eines Doppeladlers im Schilde sehen wir sie auf kaiserlichen Goldmünzen, Nachahmungen solcher der französischen Könige, wie sie auch Karl IV., nur mit entsprechender Veränderung der vorderen Umschrift, prägen ließ.

Auch das Landfriedenssiegel vom Jahre 1335 (II, Taf. 61, 1) enthält einen Doppeladler, so auch das 1334 urkundlich erscheinende Stadtsiegel von Friedberg, während die Stadt noch 1328 mit einem einköpfigen Adler siegelte[2].

Während in Deutschland bis auf die angeführten Fälle das Reichswappen der einfache Adler blieb, ganz und gar nicht aber an eine Unterscheidung zwischen dem vom Kaiser und vom König geführten Wappen zu denken ist, entwickelte sich in England im Anschluß an die Darstellung des 1259 verstorbenen Matthäus Parisiensis, die Anschauung, daß dem deutschen Kaiser der Adler mit zwei, dem Könige ein solcher mit einem Kopfe gebühre. In diese Zeit fällt dort auch die Herstellung des Stempels, den Richards Sohn Heinrich nachweislich im Jahre 1258 führte (I, Taf. 37, 5), der Löwenschild, beseitet von fliegenden Adlern, mit der Umschrift: Secretum Henrici filii Ricardi regis Romanorum. Um 1307 wird das Stifterfenster im Münster zu York gefertigt und oben daran werden diese beiden Wappen als die des deutschen Kaisers und Königs – einfacher und Doppeladler – gegeben.

Nicht viel später kommt ebenfalls in Deutschland, zu Lebzeiten Ludwigs IV., in der sicher vor 1346 geschriebenen und illustrierten dritten Handschrift des Balduineums diese Anschauung zur Geltung. Diese stellt zweifellos in Gold den schwarzen Doppeladler als Reichswappen dar.

Auch in den Malereien der mecklenburgischen Reimchronik des Ernst von Kirchberg, die am 8. Januar 1378 begonnen, deren Ausmalung aber mit dem 1379 erfolgten Tode des Herzogs Albrecht von Mecklenburg unvollendet blieb, wird dem Kaiser durchgehend der Doppeladler zugewiesen. Die gleiche Anschauung findet sich in dem zu Beginn des 15. Jahrhunderts verfaßten Ritterspiegel des Johannes Rothe[3].

Aus alle dem entnehmen wir, daß schon zu Ludwigs IV. Zeiten die, wie es scheint, zuerst in England aufgekommene Ansicht in Deutschland nicht unbekannt war. Und bei den engen Beziehungen, die gerade dieser Kaiser zu England unterhielt, ist es sehr wohl möglich, daß die englische Unterscheidung vom Kaiser- und Königswappen Deutschlands jenem bekannt wurde, daß er infolgedessen sein Kaisersiegel mit Adlern schmückte.

Der Ursprung des Doppeladlers ist nach allgemeiner Ansicht im Orient zu suchen, von wo er nach Byzanz gelangte. Der Prozeß des Webens führte darauf, die Figuren (meistens Tiere) umgekehrt zu wiederholen. Aus dem Teppichstil gingen dann diese sich gegenüberstehenden Tierpaare in andere Kunstzweige als wirkungsvolle symmetrische Muster über. Durch Verkürzung entstanden aus ihnen die doppelköpfigen Tiere, und so ist auch der Doppeladler rein technisch aus zwei einköpfigen Adlern entstanden.

Von den Sarazenen und von Byzanz, welche diese Technik des Stoffwebens weiter entwickelten, wurde der ganze europäische Westen mit solchen Geweben


Königsschild, sondern das Wappen von Holland, und zwar mit der Königskrone malt. Vgl. a. Gritzner a. O. S. 63.

  1. Vgl. II. 4. Gebrauch mehrerer Siegelstempel.
  2. Römer-Büchner a. O. 48.
  3. Joh. Rothe, Bibl. d. Stuttgarter liter. Vereins (1860) 53, 117 v. 681:

    Der keiser furit den adilarn,
    Daz der erstin herschild ist.
    Der konig muez sine stad bewarn
    Wo man des keisers vormist.
    Doch habin di am ein undirscheid:
    Des keisers sehit uf beide sitin,
    Des konigis sin houbit treid
    Also vor sich an einer litin.

Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)