Seite:Posse Band 5 0170.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

dem Deutschen und Karl dem Dicken ist es nicht unmöglich, daß die Verschiedenheit ihrer Siegelformen mit den verschiedenen Regierungsperioden derselben zusammenhängt, d. h. daß sie mit Erweiterung ihrer Herrschaft in der Regel auch neue Siegel annahmen, ohne indessen die früheren ganz außer Gebrauch zu setzen. Ludwig der Deutsche war zuerst König von Bayern, als solcher führte er Stempel 1, nach der Absetzung des Vaters und als König von Ostfranken (seit 833) Stempel 2, zu dem in den letzten Lebensjahren noch ein dritter Stempel hinzukam, zu dessen Anschaffung als Aushilfesiegel die Reparaturbedürftigkeit des zweiten Stempels Veranlassung gab[1]. Von Karl dem Dicken sind drei Kaisersiegel bekannt, aber auch drei Perioden während seines Imperiums: zunächst seine Erhebung zur Kaiserwürde, dann seine Regierung in Ostfranken nach dem Tode seines Bruders Ludwig, endlich seine Regierung in Gallien nach Karlmanns Tode. Ob auch hier ein gleicher Zusammenhang bestand? Dafür spricht der Umstand, daß Stempel 5 sich nur an einem Diplom für die Kirche in Tours (MR 1730) findet. Vermutlich führte Karl ein besonderes Siegel für Gallien.

In der nachkarolinger Zeit sind Haupt- und Hilfssiegel der Kanzleien Ottos I. und II. (I, Taf. 7, 6. 7; 8, 5. 6) so schwer voneinander zu unterscheiden, daß man annehmen möchte, die kleinen Unterschiede in den Abdrücken seien auf die mehr oder weniger geringe Sorgfalt des Stempelschneiders zurückzuführen. Es hat damals anscheinend das Streben bestanden, das Hilfssiegel möglichst getreu dem Hauptsiegel zu gestalten, ebenso wie auch unter Heinrich IV. (I, Taf. 17, 4. 5), während der Hilfsstempel der Kanzlei Heinrichs III. in dessen Königszeit (I, Taf. 14, 2) vollständig vom Hauptstempel (I, Taf. 14, 1) abweicht.

Hinwieder scheint man in der Kanzlei Konrads II. in anderer Weise bestrebt gewesen zu sein, den Hilfsstempel äußerlich als solchen zu kennzeichnen, denn während in der Königszeit die Umschrift des Hauptstempels (I, Taf. 12, 1) zwischen zwei Kreislinien gestellt ist, fehlen diese Linien im Hilfsstempel 2 (I, Taf. 12, 4). Während sich das erste nur einmal nachweisbare Siegel der Kaiserzeit (IV, Taf. 73, 11) durch die Kreislinien noch als Hilfssiegel kennzeichnet, findet das Umgekehrte von da ab statt, seitdem befinden sich nur die Umschriften der Hilfssiegel (I, Taf. 13, 3. 4) zwischen Kreislinien[2].

In Lothars III. Königszeit sind, soweit erweislich, zwei Stempel nacheinander verwendet worden (I, Taf. 20, 1; IV, Taf. 74, 3. 4; II, Taf. 48, 2–5)[3], von Konrad III. ist nur ein Stempel (I, Taf. 21, 1) bekannt. Erst seit Friedrich I. scheint die Reichskanzlei dazu geschritten zu sein, Hilfsstempel in getreuester Nachbildung des Hauptstempels mittels Abdruckes vom Originalhauptstempel zu schaffen. Für die lange Regierungszeit dieses Herrschers, als Königs und Kaisers, ist bis jetzt für jede Periode nur ein einziger echter Stempel (I, Taf. 21, 2; 22, 1) festzustellen gewesen[4].

Wibald von Stablo ließ nämlich mittels Abgusses über einen Originaldruck eine zinnerne Kopie des silbernen Königsstempels Friedrichs I. (diligenter expressum ad formam argentei) anfertigen[5], die offenbar als Hilfsstempel diente und dem Bischof Eberhard von Bamberg, der im Frühjahr 1152 als Gesandter nach Rom geschickt wurde, um die Thronbesteigung Friedrichs I. anzuzeigen, mit auf die Reise gegeben zu sein scheint, wie auch zwei Goldbullen, die auf Anordnung Wibalds in Aachen mit Hilfe des Bullenstempels geschlagen waren, zu dessen Verfügung gestellt wurden. Er war damit im Besitz von einem Stempel des Thronsiegels und zweier Goldbullenabschläge, um in Rom oder sonstwo auf der Reise im Namen des Königs Urkunden selbst ausstellen zu können. Die den Urkunden anhängenden Siegel lassen natürlich nicht erkennen, ob sie mit dem silbernen oder zinnernen Stempel hergestellt sind.

Danach dürfte Friedrich I. auch als Kaiser Duplikate des Wachssiegelstempels als Hilfsstempel haben herstellen lassen und das Gleiche auch unter Friedrich II. beliebt gewesen sein.

Soweit die bisherigen Nachforschungen reichen, scheint der in der Kanzlei Konrads II. aufgekommene Gebrauch besonderer Siegel für Deutschland und


Erst zwei Tage später (1325 Sept. 5 Or. München) siegeln beide Herrscher, Ludwig und Friedrich mit ihren Thronsiegeln: mit unsern hangenden insigeln, der wir jetzo walten, versigelt. Von da ab siegelt Friedrich wieder mit dem königlichen Thronsiegel. Die Siegelkarenz dürfte aber schon seit seiner Gefangenschaft auf Trausnitz datieren, denn seit August 1322 bis Mai 1325 hat Friedrich auch keine Urkunde ausgestellt. Es ist wohl anzunehmen, daß Ludwig bis zur Vereinbarung vom 5. Sept. 1325 das Siegel seines Gegners in Verwahrung nahm. Vgl. Haberditzl in Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch. 29, 659.

  1. Geib in Archival. Zeitschr. NF. 2, 90.
  2. S. 166.
  3. Nebeneinander sind im Gebrauch Stempel 1 und 2 (St. 3256) noch ungefähr vier Monate vor dem letzten Vorkommen von Stempel 2. Da St. 3256 und seine drei Exemplare als Fälschung gelten, so wird das endgültige Urteil der Monumenta Germaniae, die jetzt die Urkunden Lothars III. bearbeiten und bereits zu feststehenden Ergebnissen gelangt sind, abzuwarten sein.
  4. Ich habe vor Jahren in Archiven des In- und Auslandes Photographien des Königssiegels Friedrichs I. (I, Taf. 21, 2) und des bis zu Ende der Kaiserzeit gebrauchten Stempels (I, Taf. 22, 1) versandt, doch hat man mir keinen andern Stempel nachweisen können. Daher dürfte auch der Stempel (I, Taf. 22, 2), den wir nur in einem Gipsabdruck kennen, nicht als Original anzusehen sein.
  5. Wibaldi, epist. No. 456 (Jaffé, Mon. Corb. 589): rogamus, ut sicut nostrum sigillum convenienti dispositione de tuo arbitrio ordinasti, ita etiam dominae tuae sigillum sine mora studeas informare et ad nos Aquisgrani sculptum afferas et bene politum. – Ebenda No. 377 (Jaffé a. O. 506): die quinta post exitum vestrum a nobis Aquisgrani dedimus puero nostro Godino perferendum sigillum argenteum perfectum, ne videlicet illo novitio et non permansuro res regni diutius consignarentur … Decima postmodum die, hoc est in cena domini, perfecta sunt ferramenta ad bullandum de auro, quae vobis … sub celeritate transmisimus. Eadem vero die misimus Aquensi villico sigillum stagneum diligenter expressum ad formam argentei et duas bullas aureas perfectas.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)