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dem Bischof Eberhard von Bamberg, auf die Reise nach Rom im Jahre 1152 einen Zinnabschlag des Wachssiegelstempels zur Ausstellung von Urkunden anvertraute[1]. Das gleiche scheint auch Friedrich II., der noch dazu seinem Beauftragten eine besondere Bestallung als Vertreter zufertigen ließ, beabsichtigt zu haben. Denn, da der Kaiser den Wachssiegelstempel mit auf die Fahrt nahm, kann es auch nur, wie bei Eberhard, ein Abschlag vom Originalstempel gewesen sein. Rainald bezeichnet ja das Siegel als nostrum sigillum, d. h. als des Stellvertreters, und verspricht, daß der Kaiser seine Bestätigung unter Goldbulle, der feierlichsten Form, wie sie gerade in Italien besonders beliebt war, vollziehen werde.

Wie unter Friedrich II. sind auch die Stempel der Könige Heinrichs (VII.) und Konrads IV.[2] zeitlich nacheinander verwendet worden. Auch Alfons führte die einzelnen Königssiegel nacheinander[3].

König Richard hatte ein größeres und kleineres Siegel in Gebrauch, letzteres ist uns jedoch nicht überliefert. Vermutlich ist es eines der englischen Sekrete (I, Taf. 36, 3. 4; 37, 1. 2), das er 1267, weil das Königssiegel nicht zur Hand war, mit dem Versprechen anhängte, die Beglaubigung mit diesem nachzuholen[4].

Anders gestaltete sich das Siegelwesen nach der Zeit des Interregnums[5]. Zur Vermehrung der Bürgschaften gegen den Mißbrauch des Siegels kamen schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts[6], wie man annimmt, unter dem Einflusse Frankreichs und des Westens[7], in Verwahrung des Siegelherrn befindliche Geheimsiegel in Gebrauch, die der Rückseite der Hauptsiegel aufgedrückt wurden. Sie werden Sekretsiegel (sigillum secreti, sigillum secretum, sigillum minus, secretum sigilli, heimliches insigel) genannt.

Bereits unter Heinrich (VII.) begegnen wir vereinzelt einem auf der Rückseite des Hauptsiegels angebrachten kleinem Siegel, das, wenn es auch nicht ein dem Siegelherrn gehöriges Siegel war, doch wohl dem gleichen Zwecke, wie angedeutet, dienen sollte[8].

Zu ständigem Gebrauche in der Reichskanzlei wurden Rücksiegel erst unter Rudolf I. eingeführt. Ein nur im Jahre 1277 nachweisbares kleines Siegel, dem seit dem 11. Jahrhundert hergebrachten Thronsiegel aufgedrückt, bezeichnet sich selbst als sigillum secretum und hat als Bild den einfachen Adler (I, Taf. 41, 5).

Neben diesem Wappentiere, dem Adler, zeigen aber auch die Rückseiten von Siegeln Rudolfs I. mit besonderen Stempeln hergestellte Figuren (I, Taf. 40, 6–9; 45, 2). Sie hatten offenbar gleichfalls den Zweck, zur erhöhten Sicherheit des Hauptsiegels und der Urkunde beizutragen. Dahin gehört auch das Oval mit einem Greifen, das der Rückseite des Siegels Rudolfs I. (I, Taf. 40, 5) an der Urkunde vom 29. Oktober 1285 aufgedrückt ist (IV, Taf. 74, 6).

Schon als Herzog führte auch Albrecht I. ein Rücksiegel, den steierischen Panther (I, Taf. 44, 5), sein Königssiegel die unter Rudolf I. eingeführte Figurendarstellung (I, Taf. 45, 2).

Als selbständiges Siegel ist das Adlersekret erst unter Albrecht I. nachweisbar, es nennt sich ebenfalls, wie das 1277 dem Hauptsiegel Rudolfs I. aufgedrückte, sigillum secretum (I, Taf. 45, 3).

Die Verwendung des Adlersekrets, als selbständigen Siegels, scheint anfangs eine sehr eingeschränkte gewesen zu sein, und zwar für bedeutende, dauernd bindende Rechtsgeschäfte nur, wenn der Herr gerade sein Hauptsiegel nicht zur Hand hatte. Das Anhängen des Sekretes ist dann in der Siegelformel motiviert. Häufig wird für den vorliegenden Fall dem Sekret die Kraft eines Hauptsiegels beigelegt, und der Ersatz durch das Hauptsiegel vorbehalten. Albrecht I. gebrauchte es zwischen Wahl und Krönung (27. Juli bis 24. August 1298), versprach aber am 28. Juli dem Erzbischof Wicbold von Köln in einer besonderen Urkunde, die unter dem Sekret „quo in hac nostra nova creatione utimur“ ausgestellten Privilegien alsbald nach seiner Krönung zu Aachen „sigillo nostro regio“ versehen zu lassen[9].


  1. Vgl. S. 169.
  2. Philippi a. O. 61
  3. Urkunde 1258 (BF 5499) für Siena, der jetzt das Siegel fehlt, gibt an, daß sie mit dem neuen Siegel versehen sei (wohl I, Taf. 39, 4. 5).
  4. In einer für das Reich erlassenen Urkunde 1267 3/6 (BF 5439) lautet die Siegelformel: Et quia maius sigillum nostrum propter guerrarum discrimina penes nos habemus ad presens, minori sigillo nostro presentes litteras iussimus communiri. Daium in castris Straffordie prope Londinium. Richard bemerkt außerdem, daß baldmöglichst eine Ausfertigung unter dem größeren Siegel nachfolgen werde. 1267 21/6 (BF 5441) wiederholt er den Auftrag von BF 5439, aber ohne den die Wiederholung erklärenden Schlußsatz bezüglich der Besiegelung. Auf Anfrage in Lille erhielt ich die Antwort, daß die Originalurkunden dort nicht vorhanden seien. Wahrscheinlich war die Urkunde BF 5439 mit einem der kleinen Siegel (I, Taf. 36, 3. 4; 37, 1. 2) besiegelt.
  5. Breßlau UL 1, 945.
  6. Das Registraturbuch des Bistums Passau (Monum. boica 29b, 131) enthält über die Einführung und den erstmaligen Gebrauch des Sekretsiegels als Rücksiegel eine Bemerkung. Auf einem Lehnbriefe des Bischofs Otto für Werner von Weinsberg 1259 23/1 folgt das Notandum: Et notandum, quod est prima littera, ubi in sigillo a tergo secretum nostrum imprimi fecimus, quod lupum in scuto, pro signo insculptum continet et superscriptionem continet: Secretum ecclesie. Quapropter omnes litteras ex parte nostri scriptas cum pendenti sigillo nostro, nisi ipsum sigillum a tergo predictum scutum impressum habeat, falsas exnunc in antea iudicamus, sed iam datis et scriptis per hoc nolumus preiudicium gravari. Actum Patavie a. d. 1249 in conversione sancti Petri. Alle Briefe späteren Datums, deren Siegel auf dem Rücken nicht mit dem Sekret versehen ist, sollen als falsch gelten, jedoch ohne Präjudiz für alle früher angefertigten Urkunden. Vgl. Seyler, Gesch. der Siegel S. 129. – Ein Sekretsiegel der Kaiserin Maria, Gemahlin Ottos IV. (I, Taf. 26, 3).
  7. Breßlau UL 1, 946 Anm. 4. – Erben a. O. 1, 273.
  8. Privatsiegel des Notars Marquard (I, Taf. 31, 3).
  9. Gedr. Lacomblet 2, 585 Or. Düsseldorf, Kurköln 372. An der Urkunde hängt das Adlersekret (I, Taf. 45, 3). Damit erledigt sich die Annahme Gritzners, Symbole und Wappen 71, Albrecht I habe zuerst ein umschriftliches Sekretsiegel (I, Taf. 45, 2), das auf einem gleichseitigen Dreiecke drei in Form eines Kleeblattes aneinander stoßende, verschobene Vierecke zeigt, geführt und damit [173] auch die genannte Urkunde besiegelt. Als selbständiges Sekret ist aber auch dieses Siegel niemals benutzt worden, sondern ebenso, wie unter Rudolf I. (I, Taf. 40, 6) als Ersatz für die früher beliebten Fingereindrücke auf der Rückseite des Siegels.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)