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von Tirol und Habsburg. Als Herzschild liegt auf: Österreich (III, Taf. 22, 2). Um den Hauptschild hängt die Kette des goldenen Vließes. Dasselbe Siegelbild wurde von Ferdinand I. für den Kaiserstempel verwendet, nur statt des einfachen findet sich hier der nimbierte Doppeladler, über ihm schwebt eine Krone (III, Taf. 23, 3). Das letztere Siegelbild ist hierauf von Maximilian II. zum Siegelbild des mittleren Stempels, der bedeutend größer als der von Ferdinand I. gebrauchte, verwendet worden (III, Taf. 32, 1), wie auch Rudolf II. (III, Taf. 37, 2. 3), Matthias (III, Taf. 42, 3) und Ferdinand II. (III, Taf. 50, 1) dieses Siegelbild in Neustichen unverändert übernahmen.

Der Stempel Ferdinands II. ist dann in der Reichskanzlei unter Ferdinand III. (III, Taf. 55, 3), Leopold I. (III, Taf. 63, 3) und Josef I. (III, Taf. 71, 3), nur mit Änderung des Namens des jeweiligen Siegelherren in Benutzung genommen worden.

Mit der allgemeinen Veränderung des Siegelbildes unter Karl VI. hängt auch die des mittleren und kleinen Siegels zusammen. Das erstere gleicht in allem dem größeren Siegel, ist nur kleiner gestaltet als dieses (IV, Taf. 4, 2). Ein mittleres Siegel Karls VII. ist mir nicht bekannt geworden. Wie unter Karl VI. verhält es sich mit dem mittleren Siegel Franz I. (IV, Taf. 17, 1) und Josef II. vor und nach dem Tode (1780) der Kaiserin Maria Theresia (IV, Taf. 37, 2. 3; 39, 1). Aus der kurzen Regierungszeit Leopold II. ist kein mittleres Siegel erhalten, doch ist augenscheinlich, zumal auch der größere Teil von dessen Siegeln für Franz II. hergerichtet wurde, der uns erhaltene mittlere Siegelstempel Franz II. (IV, Taf. 49, 3) aus einem Stempel Leopolds II. hergerichtet. Er blieb bis 1804 in Gebrauch. Neue Stempel sind dann 1804 und 1806 hergestellt worden (IV, Taf. 51, 2; 52, 1).

Das große und mittlere Siegel unterscheiden sich, von der äußeren Ausstattung abgesehen, durch den Herzschild, den man dem Hauptschild des Adlers auflegte. Der Herzschild des großen Siegels der Königszeit, gespalten von Österreich und Kastilien, ist bis Josef I. auch in der Kaiserzeit beibehalten worden, ebenso beim mittleren Siegel der Schild Österreich allein, auch von Maximilian II. (III, Taf. 32, 1), obgleich er in der Königszeit als Herzschild Österreich und Kastilien führte (III, Taf. 29, 2).

Das kleine Siegel (Sekret) wurde nach der Reichshofkanzleiordnung vom 1. Juni 1559 für Missiven und geringere Gnadensachen verwendet. Das Siegelbild, wie es bereits zur Königszeit Ferdinands I. (III, Taf. 22, 3) festgestellt wurde, besteht aus einem einköpfigen nimbierten Adler, über dem die Königskrone schwebt, und der bedeckt ist von einem quadrierten Schilde: rechts oben Ungarn, links Böhmen; das dritte Feld ist gespalten von Österreich und Burgund, das vierte quadriert von Kastilien und Leon. Dieser Schild wurde von Ferdinand I., als er Kaiser wurde, beibehalten und auf einen mit der Kaiserkrone bedeckten Doppeladler gelegt (III, Taf. 23, 4). In dieser Gestalt ist das Sekret bis auf Josef I. in Anwendung geblieben.

Der Schild des Sekretes unterscheidet sich von dem des mittleren Siegels dadurch, daß bei dem Sekret Tirol und Habsburg in Wegfall kommen, Österreich-Burgund das dritte Feld einnehmen, während Kastilien-Leon in das vierte Feld gesetzt sind. Dem mittleren ist Österreich als Herzschild aufgelegt.

Eine Neugestaltung erfuhr der Sekretschild unter Karl VI. und seinen Nachfolgern. Unter ersterem verschwindet Burgund aus dem Wappen, neu aufgenommen werden Altungarn, Sizilien und Aragon, Österreich wird als Herzschild aufgelegt. Danach erscheint das Sekret quadriert: 1. quadriert von Kastilien und Leon, 2. gespalten von Alt- und Neuungarn, 3. gespalten von Sizilien und Aragon, 4. Böhmen. Als Herzschild ist Österreich aufgelegt (IV, Taf. 7, 4–6). Das Siegel für Niederösterreich unterscheidet sich hiervon nur durch den von Österreich und Burgund gespaltenen Herzschild (IV, Taf. 7, 7).

In den Kanzleiordnungen wird des Goldbullenstempels niemals gedacht. Die Goldbulle vertrat das große Siegel der Reichskanzlei, kam nur in Ausnahmefällen, auf Verlangen des Empfängers, der eine prunkvollere Ausstattung wünschte, und als Repräsentationssiegel, wie z. B. in Verträgen mit dem Auslande, zur Anwendung. Von größerer Wichtigkeit aber für die Kanzlei waren Zahlungslust und Zahlungsfähigkeit des Empfängers der Urkunde wegen der damit verbundenen größeren Kanzleisporteln[1].

Die Bulle scheint, da sie seit Franz I. nicht mehr gefunden wird, seitdem außer Gebrauch gekommen zu sein.

Neben dem Wachs sind schon seit Karl dem Großen Gold und Blei zum Siegeln verwendet worden. Die Benennung des Siegels als bulla findet sich zum ersten Male in Urkunden dieses Herrschers. Formeln, wie bulla nostra sigillare, bullae impressione sigillare kehren seitdem häufig wieder. Sickel sprach dieser Ausdrucksweise jede Bedeutung für die Frage nach dem Stoffe des Siegels ab. Er vertrat den Standpunkt, bei dem Worte bulla denke man zunächst an Metallsiegel, aber ebenso könne es auch „den einer Kapsel oder Blase ähnlichen Wachsklumpen“ und weiterhin „die mit Siegeldruck versehene Wachsmasse“ bezeichnen. Dementsprechend habe man während des Mittelalters Wachssiegel auch mitunter bullae genannt. Und wenn in einer Urkunde von bulla oder bulla sigillatum gesprochen werde, so „nötige dieses keineswegs, eine Besiegelung durch Metallbulle anzunehmen“[2].

Dieser Ansicht Sickels stimmte Mühlbacher[3] fast rückhaltlos zu. Nach ihm tritt die Formel „de bulla nostra iussimus sigillare“ schon unter Karl dem Großen


Vgl. S. 177 Anm. 1.

  1. Eitel a. O. 32f.
  2. Sickel, Acta Karol 1, 196. Vgl. a. N. Archiv 3, 24 Anm. 2. Eitel a. O. 40f.
  3. Mühlbacher, Regesta imperii I. 2, XCIII.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0179.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)