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ersucht werden, zu deren Übersendung nach Wetzlar erst dann zu verschreiten, wenn solche Siegel von beiden Vikariaten bei ihnen eingekommen sein würden. In diesem einigte man sich auch dahin, daß die drei Siegel bloß den Doppeladler, ohne Herzschild oder andere, die Namen oder Insignien der beiden Reichsvikare andeutende Zeichen, mit der Umschrift: Sigillum sacri Romani imperii provisorum et vicariorum, nebst der Jahreszahl in arabischen Ziffern tragen sollten.

Bei Erledigung des Reiches im Jahre 1790 sandte nun Sachsen drei genau nach den Abbildungen des Vergleichs von 1750 geschnittene Stempel (IV, Taf. 64, 3–5) durch Kurmainz an das Kammergericht ein, während Bayern ein anderes Siegel anfertigen ließ und dasselbe ebendahin ablieferte (IV, Taf. 64, 1, 2). Es war ebenso ausgestattet wie die aus den Jahren 1711, 1740 und 1745, ausgestattet mit beiden Schilden. Man berief sich hierbei darauf, „daß die anno 1750 zwischen Pfalz-Bayern und Sachsen wegen Abänderung des alten Sigills getroffene Übereinkunft nicht nur ex defectu confirmationis nicht zu Stande gekommen, sondern auch die in Vereinigung eines damaligen dreifachen Vikariats bestandene causa movens schon lang wiederum cessiret, sohin der nämliche casus, wie anno 1711 wieder existiert hat!“

Da also wiederum, wie im Jahre 1745, eine Einigung nicht zu erzielen war, wies Kurmainz die Kammergerichtskanzlei an, „daß sie die kammergerichtlichen Erkenntnisse unter der im Vertrage von 1750 beliebten Generaltitulatur der hohen Reichsverweser anfertigen und deren beiderseits beiderseitigen anher geschickte Insiegel nach bekannter Rangordnung anhängen solle“. So folgt in einer Ausfertigung des Kammergerichts von 1790 dem von Bayern entgegen den Abmachungen von 1750 eingesandtem Siegel, das vertragsmäßige von Sachsen! (IV, Taf. 64, 4). Beide mit gleicher, gemeinsamer Umschrift[1]!

Auch im letzten Interregnum vom Jahre 1792 übersandte Sachsen, wie 1790, die 1750 vereinbarten Siegeltypen (IV, Taf. 66, 4–6), während Bayern ein im letzten Interregnum gleiches Siegel mit der Jahreszahl 1792 überreichte (IV, Taf. 66, 1–3). Kurmainz wies daher mit Schreiben vom 13. April 1792 die Kammergerichtskanzlei an, da die Angelegenheit zwischen Bayern und Sachsen wohl nicht gütlich beigelegt werden dürfte, ersteres vielmehr selbst ausdrücklich darauf angetragen habe, daß von den Siegeln der nämliche Gebrauch wie 1790 gemacht werden möge, „sich in Ansehung der Expeditionen einstweilen noch ferner zu benehmen, wie wir ihme (dem Kanzleiverwalter bei dem Kammergericht) bei dem jüngsten Interregno provisorio modo aufgetragen haben“[2].

Ein Teil der Geschäfte des Hofgerichts ging auf die Landfriedensgerichte über, deren Organisation zu verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene war[3].

Den Abschluß der Bestrebungen von Jahrhunderten zur Wahrung des Landfriedens bildet der große mainzer Landfriede von 1235. Er faßt zuerst in einem für das ganze Reich erlassenen, umfangreichen Gesetze alle jene auf die eigentliche Befriedung des Landes bezüglichen Vorschriften zusammen und überliefert so der Folgezeit eine Einrichtung von grundlegender Bedeutung, eine einheitlich gegliederte Reichslandfriedensgesetzgebung, die nur hinsichtlich der Ausführung ihrer Bestimmungen den Einfluß territorialer Rechtsverhältnisse gestattet.

Von den ältesten Bestrebungen, den mainzer Reichsfrieden von 1235 zur Durchführung zu bringen, gibt Zeugnis für Schwaben die Urkunde Bertolds von Vronhofen, als Richter, und der consules pacis von 1260 Febr. 2, mit dem Siegel, das ein Kreuz auf achtstrahligem Stern darstellt (II, Taf. 58, 1).

Der Zusammenbruch der zentralen Reichsgewalt um die Mitte des 13. Jahrhunderts verhinderte die Fortdauer der Entwickelung jener Reichslandfriedensgesetzgebung. Als ein letzter Versuch des Königs Rudolf I., den mainzer Landfrieden nur für ein einzelnes Stammgebiet beschwören zu lassen, ist der im Auftrage Rudolfs vom Erzbischof Heinrich von Mainz (1286/87) errichtete Landfrieden anzusehen. Heinrich, vom König zum Hauptmann und Rektor der thüringer Lande an seiner Statt ernannt, errichtete einen am 29. März 1287 vom Könige bestätigten Landfrieden. Sein uns erhaltener Landfriedensstempel stellt den thronenden Kaiser dar (II, Taf. 58, 2).

Als ein bloßes Anknüpfen an jenes Reichsgesetz mißlungen war, mußte König Rudolf nochmals von vorn beginnen: er erneuerte den mainzer Landfrieden auf dem Würzburger Tage von 1287. Heinrichs Nachfolger, als Landfriedenshauptmann, war der Landvogt der Wetterau, Gerlach von Breuberg. Von seiner Tätigkeit als solcher wissen wir nur aus der Zeit König Adolfs. Doch hängen nach den erhaltenen Urkunden Gerlach und seine Mitrichter immer nur ihre eigenen Siegel an.

Den geistlichen Herrn, als Vorsitzenden der Landfriedenskommission kennzeichnen die Siegel der sächsischen Landfriedensbünde von 1291 und 1307 (II, Taf. 58, 3. 4).

Schon um die Wende des 13. Jahrhunderts hatte eine rege Tätigkeit für den gemeinen Frieden in den Territorien begonnen. Es war nötig und schon längst, wie wir sahen, üblich, daß der König im Anschluß an die Reichsgesetze in den einzelnen Territorien Behörden anstellte, denen er die Ausführung der Gesetze übertrug. Was die Siegel dieser anlangt, liegt uns ein wertvolles Material in einer Anzahl thüringer Landfriedensurkunden aus der Zeit von 1316–1341 vor. Als Siegelbild finden wir zuerst


  1. Acta, Die Reichs-Vicarische Bestätigung des Cammer-Gerichts zu Wetzlar … de anno 1790. Bl. 124, Loc. 5253.
  2. Acta, Die Reichs-Vicarische Bestätigung des Cammer-Gerichts zu Wetzlar … de anno 1792. Bl. 39, Loc. 5258.
  3. Wynecken, Die Landfrieden in Deutschland von Rudolf von Habsburg bis Heinrich VII, S. 31. – Schwalm, Die Landfrieden in Deutschland unter Ludwig dem Bayern, S. 3.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)