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Schlesien in die Form gebracht, in der man sie den Ständen dieser Länder zum Vortrag brachte.

Der Geschäftsgang wurde dadurch, daß die Kanzlei in Prag ihren eigentlichen Sitz hatte und eine Abteilung dieser beim König sich befand, ein verwickelter. Es scheint, daß die Kanzlei auf der prager Burg die aus der Expositur bei Hofe einlangenden Aufträge zur Ausführung zu bringen hatte, vornehmlich aber diente sie als Erledigungsstelle für die in Abwesenheit des Königs in Prag eingesetzte Regierung des Königreiches. Mochten nun infolge der oft lange währenden Abwesenheit des obersten Kanzlers vom Hofe, die durchgängig am Hofe weilenden böhmischen Vizekanzler an Einfluß gewinnen, so finden wir unter Maximilian II. jene vorzugsweise am Hofe des Königs, was darauf hinzudeuten scheint, daß sie sich nicht in den Hintergrund drängen lassen wollten.

Mit der Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Prag durch Kaiser Rudolf II. verschmolzen dann böhmische Hofexpedition und Hauptkanzlei wie von selbst in einen Körper.

Ferdinand II. führte eine ganz neue Ordnung in den Ländern der böhmischen Krone ein. Davon wurde auch die anscheinend vom Jahre 1624 an dauernd an das Hoflager und damit nach Wien verlegte böhmische Kanzlei berührt. Durch die verneuerte Landesordnung von 1627 Mai 16 wurde sie aus einem Schreiborgan zu einem wirklichen Amte gemacht, das ganz vom Könige abhing, den Titel „Hofkanzlei“ erhielt, die oberste Verwaltung der Länder der böhmischen Krone vom Hoflager aus führte, auch an der Rechtsprechung Anteil bekam. Die böhmische Kanzlei ist von nun an der administrative und judizielle Mittelpunkt der böhmischen Länder.

Der Kaiser entschloß sich im April 1632, die Gesamtverwaltung des Königreichs Böhmen seinem bereits zum König von Ungarn und Böhmen ernannten Sohne Ferdinand III. zu überlassen. Der oberste Kanzler und damit die böhmische Hofkanzlei sollten am kaiserlichen Hoflager verbleiben, dem Könige aber in der Person des Grafen Martinitz ein eigener Kanzler nach Prag zugewiesen sein. Die „Separation“ der beiden Kanzleien war nicht von Dauer; der Bestand der böhmischen Sonderkanzlei hatte mit dem Tode Ferdinand II. (1637) ein Ende.

War schon im Hofstaatsverzeichnisse von 1627 ausdrücklich hervorgehoben, daß die Vorstände der böhmischen Hofkanzlei nur zu jenen geheimen Ratssitzungen zuzuziehen seien, die Böhmen und die böhmischen Länder betrafen, so galt auch unter Josef I. als Grundsatz, der böhmische oberste Kanzler und neben ihm der Vizekanzler als Vertreter der böhmischen Hofkanzlei sollten nur zu jenen Deputationen und Konferenzen Zutritt haben, in denen innere Angelegenheiten der genannten Länder zur Verhandlung kamen, ganz ebenso, wie man die Teilnahme des Reichsvizekanzlers an der eben nun eingerichteten ständigen Konferenz auf die reinen Reichsangelegenheiten beschränkte. Es ist natürlich, daß die böhmische Kanzlei dadurch so gut wie die Reichskanzlei in zweite Linie gerückt wurde.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts war eine Teilung der Agenda der böhmischen Hofkanzlei nach Referaten, und zwar vornehmlich nach Länderreferaten längst durchgeführt. Eine umfassende böhmische Kanzleiordnung wurde unter Karl VI. 1719 April 26 ausgearbeitet, sie ist eine vielfach wörtlich ausgeschriebene Vorlage für die 1720 erlassene österreichische Kanzleiordnung geworden. Der Personalbestand wurde vermehrt, zugleich aber wurde der Tätigkeitsbetrieb in der Weise geschieden, daß politische und richterliche Angelegenheiten fortan gesondert behandelt werden sollten. Von Behandlung auswärtiger Angelegenheiten, wie in der österreichischen Kanzleiordnung, ist keine Rede.

Die böhmische Hofkanzleiordnung von 1719 blieb ebenso wie die österreichische von 1720 bis zur Vereinigung beider Kanzleien gültige Norm.

Die Verworrenheit in der Justizpflege hat dann bei Maria Theresia den Gedanken der großen Verwaltungsreform vom Jahre 1749 gezeitigt und sie veranlaßt, zunächst mit der ganzen Sonderung der Justiz- und Verwaltungsagenden, zu der in den beiden Ordnungen von 1719 und 1720 ja schon ein Anlauf genommen war, den Anfang zu machen. Am 14. Mai 1749 erfolgte die öffentliche Kundmachung, mit der die Aufhebung der böhmischen und österreichischen Hofkanzlei und die Errichtung der obersten Justizstelle als höchster Gerichtsinstanz bekannt gegeben wurde.

In der Zeit vor der römischen Königswahl verwandte die königliche böhmische Kanzlei unter Ferdinand I. den Wappenschild der Könige von Ungarn und Böhmen. Um das Siegel neben der Umschrift auch im Wappen als solches zu kennzeichnen, wurden sechs Länderwappen um den gekrönten Hauptschild herum gruppiert: Mähren, Luxemburg, Oberlausitz, Görlitz, Niederlausitz und Schlesien (III, Taf. 24, 4. 5). Diese Ausstattung behielt er als römischer König (III, Taf. 24, 6) bei, doch legte er den verkleinerten Schild einem einköpfigen Adler auf. Ein derartiges Siegel Ferdinands I., aus der Kaiserzeit ist nicht bekannt, doch hat dieser Typus als Vorlage für einen neuen Stempel Maximilians II. gedient (III, Taf. 32, 8), wie außer dem Inhalte der Urkunden auch hier die Zufügung der Buchstaben S B (Sigillum Bohemiae) an den Adlerfängen das Siegel als für Böhmen bestimmt erweist. Es ist dann bis auf Josef I. nur mit Veränderung des Namens des jeweiligen Siegelführers in Benutzung geblieben (III, Taf. 38, 7; 43, 3; 51, 5; 57, 4; 65, 1; 72, 6). Der Stempel Josefs I. wurde dann (1712) für Karl VI. hergerichtet, indem man einen neuen Umschriftrand anbrachte und den Adlerschild vollständig neugestaltete. Dieser Schild ist quadriert: 1. von Kastilien, 2. Ungarn, 3. Aragon-Sizilien, 4. Österreich-Burgund. Als Herzschild wurde Böhmen aufgelegt (IV, Taf. 9, 1). In verkleinerter Form, mit Hinweglassung der Schilde im Siegelfelde, diente das Siegel als Sekret für die böhmische

Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0188.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)