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Das Sekretieren geschah außerhalb der Kanzlei, im königlichen Kabinett durch einen von der Kanzlei unabhängigen Sigillator, während die Hut der Reichssiegel einzig dem Kanzleichef zustand. Unter dem Sigillator haben wir aber nicht einen Siegelbewahrer zu verstehen, er ist lediglich ein Hilfsorgan für die technische Ausführung der Expedition. Seine Mitwirkung bei dem wichtigsten Akt der Beurkundung brachte die mainzer Besiegelung und die kaiserliche Sekretierung in Zusammenhang und ihn in direkte Berührung mit dem kaiserlichen Hofe[1].

Mit der bisherigen, das Mittelalter beherrschenden Anschauung der alleinigen Gewährleistung der Echtheit der Urkunden durch das Siegel bricht bereits die Regierung von Friedrichs Nachfolger Maximilian I. Das feste, fast starre Gepräge, das die Urkunden unter Friedrich zeigen, gerät ins Schwanken, und, was das Hauptsächlichste ist, die Besiegelung verliert für die Beglaubigung die vorherrschende Stellung, die sie bisher gehabt, denn die Unterfertigung seitens der Kanzler oder der Könige wird jetzt und weiterhin für die Beglaubigung ebenso wichtig und noch wichtiger als das Siegel, sie genügt, die Urkunde hat volle Beweiskraft, auch wenn sie nicht besiegelt ist[2]. Hatte man bisher die Einheit des Itinerars als ein wesentliches Merkmal für die Urkundenkritik verwenden können, so wird auch dieses Hilfsmittel infolge der Einsetzung von Behörden, die im Namen des Königs Urkunden ausstellen, hinfällig[3]. Und auch durch das Eindringen des Druckes in die Urkunden wird die äußere Form auf das gründlichste geändert[4].

Entfällt somit die unter Friedrich III. beliebte Sekretierung des Siegels, so haben die Kanzleiordnungen seit Maximilian I. dafür gesorgt, daß neben der Unterschrift des Herrschers vorgeschriebene Vermerke der an der Herstellung der Urkunden beteiligten Kanzleipersonen und den in den Kanzleiordnungen selbst betreffs des Siegels getroffenen Bestimmungen die Echtheit der Urkunde sicherer zu gewährleisten vermögen, als die Sekretierung des Siegels[5].

Daraus ergibt sich, daß eine Darstellung des Urkundenwesens und der Besiegelung der Urkunden aufs engste mit der Verwaltungsgeschichte verknüpft ist, und vor allem die durch sie bedingten Kanzleiordnungen der Folgezeit zu berücksichtigen hat, um, unter veränderten Verhältnissen, die Fortentwicklung des Siegelungsgeschäfts in der Reichshofkanzlei im Vergleich mit dem der übrigen Hauptkanzleien des Kaiserreichs, der österreichischen Hofkanzlei, sowie der böhmischen und ungarischen Kanzleien klarzustellen.

Der Reichskanzler Berthold von Mainz, die Seele der Reichsreformer unter Maximilian I., ist der Verfasser der im Jahre 1494 erlassenen Ordnung der königlichen Kanzlei. Maximilian selbst schritt 1498 zum Erlaß einer Reichskanzleiordnung, in der die Kompetenzen der römischen und österreichischen Kanzlei abgegrenzt wurden. Ein Hauptgrundsatz der neuen Ordnung war, daß Briefe des römischen Königs nur in der römischen Kanzlei ausgefertigt werden durften. Alle Urkunden fürs Reich, die vom Erzkanzler oder dem Unterkanzler unterzeichnet werden mußten, durften nur mit den beiden Reichssiegeln (großes Siegel und Sekret) und mit keinem anderen gefertigt werden, während die Besiegelung der österreichischen und burgundischen wieder mit besonderen Siegeln und Sekret zu erfolgen hatte[6]. Allein es zeigt sich hier dieselbe Erscheinung wie bei anderen Verwaltungsorganisationen Maximilians I., daß der König sich niemals scheute, in die Kompetenz einer Behörde einzugreifen; so sind denn trotz aller Klagen und Beschwerden des Erzbischofs Berthold nicht wenige Urkunden, die sich auf Reichssachen beziehen, in dem von Maximilan abhängigen Hofamt beschlossen und in der Hofkanzlei ausgefertigt worden.

Auch der Organisation der österreichischen Hofkanzlei widmete Maximilian I. seine Aufmerksamkeit. Ihr Vorstand ist der Hofkanzler, der zugleich als Mitglied des Hofrats waltet. Der Einlauf gelangt an ihn und er erstattet dem Hofrat über diesen Bericht.


das sekretierte Siegel geradezu als Erfordernis hinstellen kann. Seeliger a. O. 10, Anm. 2. Nach der Königswahl häufte sich natürlich die Anzahl der Diplome außerordentlich, so daß Friedrich zum Auskunftsmittel des Sekretierens schritt. Or. Dresden 6709. 1442 Juni 24, also acht Tage nach der Wahl ausgestellt, ist noch nicht sekretiert.

  1. Seeliger a. O. 33.
  2. Sybel u. Sickel, Kaiserurk. in Abb. Text 476.
  3. Selbständig urkundende Behörden sind die von Maximilian eingesetzten Landesregierungen, die „Regimenter“ zu Innsbruck und Wien. Die Urkunden des Regiments zu Wien sind daran kenntlich, daß in der Datierung fast immer die Ortsangabe fehlt und daß die Unterfertigung durchweg lautet „commissio domini regis (imperatoris) in consilio“. Die Unterfertigung nennt keinen Namen, ebenso wie in der Registraturnotiz nur das Registraturzeichen ohne Namensnennung gegeben ist. Nur zum Teil selbständig urkundende Behörden sind der Hofrat und die Hofkammer. Die Urkunden des ersteren haben links unter dem Text die Unterfertigung „per regem N.“, die Urkunden der Hofkammer tragen rechts unter dem Text die Notiz „visa in consilio camere“ oder „in consilio camere“.
  4. Die Drucke lassen sich seit 1492 nachweisen, und zwar als vollständige Drucke oder gedruckte Formulare, in die einzelne Teile schriftlich eingetragen wurden. Vollständige Drucke sind für das ganze Reich giltige Erlasse. Sie sind meist ohne Unterfertigung und Siegel, wie z. B. der Erlaß von 1496 Mai 23 betreffs der Bezahlung des gemeinen Pfennigs. Ferner Ladungen zu Reichstagen in Form von Briefen mit geschriebener Adresse und dem als Verschluß dienenden Siegel. Die gedruckten Formulare, z. B. Quittungen über Reichssteuern, in die der Name des Adressaten, Höhe der Summe usw. eingesetzt wurde, stehen in der Ausstattung den geschriebenen Urkunden gleich, verlangen also Unterfertigung und Siegel.
  5. Daß wir es mit einem Ersatz für die abgekommene Sekretierung, wie sie Friedrich III. eingeführt hatte, zu tun haben, mit einer persönlich vom Könige geübten Kontrolle, geht daraus hervor, daß bis zum Jahre 1502 zahlreiche Urkunden von Maximilian unterfertigt sind, seit 1502 fast alle aus der Kanzlei ausgehenden Urkunden, ohne Unterschied, ob es Diplome oder Patente und Briefe. Der Unterschied liegt nur darin, daß Diplome in der Regel die große Unterfertigung „Maximilianus rex“, Patente und Briefe die kleine „per regem per se“ tragen. Sybel u. Sickel a. O. 478.
  6. Rosenthal, Behördenorganisation Kaiser Ferdinands I. S. 44.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0206.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)