Seite:Posse Band 5 0207.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Er kann nicht selbständige Befehle in der Kanzlei fertigen lassen, sondern nur auf Befehl des Königs oder Beschluß des Hofrats.

Alle Ausfertigungen der Kanzlei bedürfen seiner Unterschrift, die deren Legalität verbürgt. Seine Wirksamkeit erstreckte sich nur auf die Kontrolle, daß die Ausfertigungen der Kanzlei einerseits den Befehlen des Königs bez. des Hofrats entsprechen, und daß ihr Inhalt andererseits im Einklange stehe mit den allgemeinen gesetzlichen Normen und dem anerkannten Gewohnheitsrechte.

Eine vollständige Trennung der Kanzleigeschäfte Österreichs und des Reiches ließ sich nicht scharf durchführen. Am Ende der maximilianischen Epoche war der österreichische Kanzler mit der Verwaltung der Kanzlei des Reiches und der Erbmonarchie betraut, d. h. es gab nur eine Kanzlei, die in drei Abteilungen zerfiel: für das Reich, für die niederösterreichischen und für die oberösterreichischen Lande. Jeder dieser stand ein Sekretär vor, dem eine Anzahl von Schreibern unterstellt war. In jeder Abteilung wurden nur die das betreffende Land berührenden Urkunden ausgefertigt und expediert. Für jede Abteilung gab es auch ein besonderes Siegel[1].

Als Ferdinand I. seine Aufmerksamkeit der Kanzlei widmete, führte er die Reorganisation nicht nach so einfachen Grundsätzen durch. Der Status der Zentralregierung war unter ihm ein sehr kleiner. Er hatte nur einige „Räte“ an seinem Hofe, mit denen er die wichtigsten Regierungsmaßregeln zu beraten pflegte. Bald aber genügte der einfache Mechanismus nicht mehr, und es wurden folgende Zentralstellen aufgestellt: ein geheimer Rat, ein Hofrat und eine Hofkammer, die, von Maximilian I. bereits 1497 geschaffen, mit der Oberaufsicht über das Kammergut betraut war. Um gültig zu sein, mußten deren Zahlungsbefehle mit dem Handzeichen des Königs und dem Kammersekretsiegel versehen und von einem der Statthalter und dem Registratur der Kammer unterschrieben sein[2].

Der geheime Rat als Kollegium, wahrscheinlich zugleich mit dem Hofrat ins Leben gerufen, ist der Ratgeber des Königs in den bedeutendsten Fragen der äußeren und inneren Politik. Unter Rudolf II. erstarkte sein Ansehen so, daß ohne sein Votum, selbst in Finanzsachen, fast nichts entschieden wurde, und, als Ferdinand II. regierte, ward der geheime Rat der allmächtige Berater des Kaisers[3].

Der Hofrat, schon durch die Hofordnung Maximilians I. 1497 Dez. 20. eingeführt, war kompetent in Justiz- und Parteisachen und hatte die Appellationen, die vom Reiche und den österreichischen Landen an Ferdinand gingen, zu erledigen. Er war zusammengesetzt aus einem oder zwei Räten aus dem Reiche, fünf aus den niederösterreichischen Landen und drei aus den oberösterreichischen Gebieten.

Die Hofkanzlei verrichtete die Kanzleigeschäfte, handelte es sich nun um auswärtige oder innere Sachen. Sie war nichts anderes als das Schreiborgan des Monarchen, des geheimen Rats und des Hofrats, also Kabinettsekretariat und Kanzlei der beiden Behörden. Nur die Hofkammer besaß damals ihr eigenes Bureau. An der Spitze der Hofkanzlei stand seit 1526 der Hofkanzler. Kanzleibestimmungen finden sich schon in der Hofordnung von 1527, die durch die Kanzleiinstruktion von 1528 vervollständigt wurden. Danach erhielt der Hofkanzler den Titel eines obersten Kanzlers (supremus cancellarius). Seine Stellung über der ungarischen und böhmischen Kanzlei und den Kanzleien der anderen Länder ist damit angedeutet.

Die Hofkanzlei zerfiel in mehrere Abteilungen, an deren Spitze je ein Sekretär stand. Ein Sekretär besorgte die Expedition der Reichshändel und der Sachen aus den ober- und vorderösterreichischen Landen (auch aus Württemberg), dem schwäbischen Bunde und der Eidgenossenschaft, ein anderer die niederösterreichischen Sachen. Diese territoriale Einteilung war aber keine durchschlagende, denn alle aus diesen Ländern einlaufenden Parteihändel wurden nicht durch diese beiden, sondern durch einen dritten Sekretär erledigt, dem alle Parteisachen, so Justitiam betreffen, sie seien aus dem Reich oder den Erblanden, ausschließlich übertragen waren. Ferner war je ein Sekretär für die französischen, burgundischen und zwei für die spanischen Angelegenheiten und ebenso ein böhmischer und ungarischer Sekretär angestellt. Außerdem ist noch ein lateinischer Sekretär vorhanden, der alle in lateinischer Sprache abzufassenden Schriftstücke, gleichviel welches Land sie


  1. Vgl. S. 176.
  2. Hofkammerordnung 1498 Febr. 13 (Fellner-Kretschmayr 2 S. 18, § 6): daz dieselben geschäft all under unserm camersecret gefertigt, auch mit unserm handzeichen signiert und durch des bemelten von Brichssenn oder in seinem abwesen der andern unser stathalter der hofcamer aines und des registrator unser hofcamer aigen handschriften underschriben werden. In dem Beratungsprotokolle der Hofkammer vom Juli–Dez. 1500 erscheint unter 17. Aug. fol. 56 betreffs des Siegels folgende Verordnung: Das auch herr Matheis Lanng, dieweil der auf kgl. Mt selbs person zu warten furgenomen und ime deshalben ain klain secret uberantwurt ist, damit zu handlen nach laut der Ordnung, so ime dabei und damit in schrift ubergeben ist … das ee (derselbe) noch das gross secret, so er bisher bei seinen handen gehebt, furderlich auf die hofcamer uberantwurten und herausgeben soll. – Schatzkammerordnung 1498 Febr. 13 (Ebenda 2 S. 29, § 6): geben auch den vorgemelten unsern verwaltern und räten unser camersecret, daz si zu verfertigung und aufrichtung aller und iglicher santbrieve geschäft raitbrif und ander brif und verschreibungen dasselb secret zu ainer jeden zeit nach laut dieser unser camerordnung brauchen mügen. – S. 34, § 19: daz dieselben geschäft all unter unserm hofcamersecret gefertigt auch mit unserm hantzaichen signirt und durch zwen aus unsern stathaltern und des registrator unser hofcamer aigen hantschriften underschriben werden. – S. 41, § 44: geschäft und ander brif, so under unserm camersigl oder secret aus bevelh unser verwalter ausgen.
  3. Das Folgende nach: Rosenthal, Die Behördenorganisation K. Ferdinands I. 1887. – Fellner in Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch. 8, 258f. 15, 517f. – Biedermann, Gesch. der österr. Gesamtstaatsidee (1526–1804). – Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien. – Kretschmayr, Das Deutsche Reichsvicekanzleramt im Archiv f. österr. Gesch. 84, 381f. – Fellner-Kretschmayr, die österr. Zentralverwaltung 1907.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0207.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)