Seite:Posse Band 5 0211.jpg

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der zweite Kanzler hatte mit der auswärtigen Politik nichts zu tun, ihm waren die inneren österreichischen Geschäfte, politische und judizielle, zugewiesen. Im Jahre 1727 scheinen die Justizsachen von den anderen provinzialen Geschäften abgesondert zu sein, so daß nur die letzteren fernerhin unter der Leitung des zweiten Kanzlers blieben.

Maria Theresia beließ in der ersten Zeit nach ihrer Thronbesteigung die geheime österreichische Hofkanzlei in ihrer alten Verfassung. Nach dem 8. Februar 1742 nahm sie eine einschneidende Veränderung in ihrer Organisation vor. Mit Entschließung vom 14. Febr. 1742 wurde die Abteilung „Staatskanzlei“ von der österreichischen Kanzlei abgetrennt und zu einer selbständigen Kanzlei gemacht, an deren Spitze ein „Hofkanzler“ trat. Diese neue Kanzlei hatte fortan die Expedition der auswärtigen Geschäfte und der geheimen Haussachen zu besorgen, und außerdem übertrug ihr die Entschließung vom 14. Febr. 1742 auch diejenigen Agenden, „insoweit ein (österreichischer) Hofkanzler sonst respectu deren Hofämter eine Influenz gehabt“. Erst mit dem Amtsantritte des Grafen Kaunitz (1753) beginnt die Staatskanzlei zu einer maßgebenden Behörde zu werden. Nur um die Verwaltung der österreichischen Länder hatte sich fortan die österreichische Kanzlei zu kümmern, sie war ihrer hohen Stellung bei Hofe entkleidet und zu einer österreichischen Provinzialbehörde herabgedrückt worden. Auch ihr Amt als Revisionsbehörde erlitt zunächst eine Beeinträchtigung, indem man ihr die Revision der obersthofmarschallischen Prozesse entzog. Auch wurde die zweite Kanzlerstelle aufgelassen und die Kanzlei bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1749 nur von einem Kanzler geleitet.

Es ist des weiteren zu erörtern das Verhältnis der Besiegelung zur Registrierung. Auf der Rückseite mancher Urkunden Ludwigs IV. findet sich ein in der königlichen Kanzlei geschriebenes R oder Rta, das Zeichen vollzogener Eintragung in das Register der aus der Kanzlei ausgegangenen Urkunden[1].

In ausgedehnterem Maße ist der Registraturvermerk seit September 1347 auf Urkunden Karls IV. anzutreffen, anfangs als einfaches R auf dem Buge oder oberhalb der Unterfertigung, seit Juli 1351 auf der unbeschriebenen Rückseite. Und bald wird es üblich, überdies den Namen des Registrators beizufügen. Der Brauch hat sich seit dem September 1353 eingebürgert.

Sigismunds Diplome tragen dann anfangs wieder nur ein R oder Rta, fügen aber in der Zeit von 1420 bis 1435 häufig einen Namen hinzu und begnügen sich erst während der letzten Regierungsjahre des Kaisers mit dem einfachen Rta.

Die Kanzlei Albrechts II. dagegen kehrte zum früheren Brauch zurück, wenigstens häufig den Registrator zu erwähnen. Und das ist dann auch in gleicher Weise unter Friedrich III. gehalten worden, ohne daß jetzt wie früher ein greifbarer Grund für ein zeitweiliges Fortlassen des Namens zu erkennen wäre. Im übrigen ward der Registrator nur in Reichsurkunden genannt, die landesherrlichen Diplome beschränkten sich stets auf ein schlichtes Rta.

Diese Registraturzeichen sind anfangs allein auf Diplomen, auf Urkunden mit anhängenden Siegeln, anzutreffen. Erst später wurden auch zahlreiche Patente registriert und mit dem betreffenden Vermerk versehen. Die ersten dieser Art sind einige Stücke Wenzels, die das Zeichen neben dem rückwärts aufgedrückten Siegel bringen. Unter Friedrich III. aber scheint es üblich geworden zu sein, das Rta auf die Schriftseite der Offenbriefe zu zeichnen.

Nach Seeligers ganz neue Aufschlüsse bringenden Untersuchungen über die Registerführung am deutschen Königshof bis 1493, die von der Kanzleiordnung von 1494 ausgehen, sind zwei Unterfertigungen der Kanzlei zu unterscheiden: die des Konzipisten und die des Kanzlers, von denen die eine nach der vom Konzipisten vorgenommenen Prüfung der Reinschrift und vor der Eintragung in das Register, die andere unmittelbar vor der Besiegelung zu erfolgen hatte. Die Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts kennen dagegen nur eine Unterschrift, zu deren Vornahme bald ein engerer, bald ein weiterer Kreis von Beamten berechtigt war. Gleichwohl besaßen diese Formeln hier wie dort die gleiche Bedeutung: sie enthielten eine Beglaubigung der kanzleimäßigen Ausführung des Beurkundungsbefehles[2].


  1. Lindner a. O. 108–111, 114 f.
  2. Seeliger in Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch. III. Ergänzungsb. 332 ff. Der Gebrauch von Kanzleiregistern am deutschen Königshofe des 12. und 13. Jahrhunderts, die königliche Regierungsmaßnahmen zu verzeichnen hatten, kann ebensowenig bewiesen, wie verneint werden, jedoch bleibt die Möglichkeit der Registerführung in dieser Zeit bestehen. Wenn einzelne Nachrichten auf Urkundenregister unter Heinrich VII. hindeuten, so hat es doch damals allgemeine Urkundenregister im Sinne von Aufzeichnungen aller aus der Kanzlei stammenden Urkunden ebensowenig wie später gegeben. Kaum dürfen die Bücher Heinrichs unvollkommener gedacht werden, als die Ludwigs IV. Und seine Registerführung ist nicht so beschaffen, um als wirklicher Fortschritt begrüßt werden zu können. Unter Karl IV. wurde weit vollständiger registriert, aber die Jahrhunderte haben unter seinem archivalischen Nachlaß noch gründlicher aufgeräumt und verhältnismäßig noch armseligere Überreste auf uns kommen lassen. Noch schlechter steht es mit dem entsprechenden archivalischen Nachlaß Wenzels. Die Überreste der königlichen Register empfangen mit dem Jahre 1400 ein wesentlich anderes Gepräge. Während nur ganz dürftige Überreste des 14. Jahrhunderts vorliegen, steht eine stattliche Reihe von Bänden des 15. Jahrhunderts vor uns. Das erhaltene Material ist reichhaltig, aber keineswegs vollständig. Die Urkunden Ruprechts wurden bei ihrer Registrierung nach gewissen Gesichtspunkten gesondert. Die erste und wichtigste Scheidung war die in königliche und landesherrliche. Hierzu trat eine weitere, nach äußeren Merkmalen vorgenommene Sonderung, und zwar nach der Sprache und nach der Besiegelungsart. Da nur ein pfälzisches Siegel in Gebrauch stand, so war eine weitere Sonderung der pfälzischen Regesten unmöglich, wohl aber wurden die Reichsregister nach der Verschiedenheit der Siegel geschieden, indem A (lateinische Urkundenbücher) 2 Abteilungen für die mit der Majestät und für die mit dem Sekret beglaubigten Urkunden besaß, indem C (deutsche Urkundenbücher) bloß einer Aufnahme der Majestätsbriefe, Kop. 467 der Sekretbriefe diente. Eine Gliederung nach solchen Gesichtspunkten ist unter den anderen Königen des 15. Jahrhunderts [211] nicht üblich gewesen. Die Register Sigismunds, Albrechts II. und Friedrichs III. zeigen keine Einteilung nach Sprache oder Besiegelungsart der registrierten Urkunden. Nicht entfernt in der Reichhaltigkeit, die den archivalischen Nachlaß Ruprechts auszeichnet, liegen Register Sigismunds vor. Das einzige der kurzen Regierung Albrechts II. entstammende Register gleicht seiner Anlage nach vollständig denen Sigismunds. Weit umfassender als die Überreste der am Hofe Sigismunds und Albrechts vorgenommenen Buchführung sind die erhaltenen Register Friedrichs III. Für 22 Regierungsjahre sind die Reichsregister vollständig, für die übrige Zeit fehlen sie teilweise: alles in allem hat sich nicht einmal die Hälfte des einstigen Bestandes bis auf unsere Tage erhalten.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0211.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)