Seite:Posse Band 5 0213.jpg

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wurden und bei denen nachträgliche Beglaubigung nicht festgestellt werden kann, nicht mehr ohne weiteres gutgläubig als Originale ansehen dürfen, sondern man hat, wenn einzelnes Auffallende Verdacht erweckt – und das ist bei einem mit den Bräuchen und Formeln der Kanzlei unbekannten Schreiber leicht möglich – sie speziell daraufhin zu prüfen, ob man es nicht mit Fälschungen zu tun hat.

Die Aushändigung besiegelter Blanketts ist wohl selten[1], aber mehrfach bezeugt und wird sich zumeist nur bei Originalen mit aufgedrücktem Siegel erkennen lassen, und zwar, wenn die Schrift dem Siegel ausweicht. Da man aber schon im voraus bei Anfertigung der Schrift, den Raum, den das Siegel einzunehmen hatte, berechnen konnte, so werden andere Anhaltspunkte hinzukommen müssen, um aus der Unterbrechung der Schrift auf eine Vorausbesiegelung des Blattes schließen zu können[2].

Beweisend sind diejenigen Fälle, wo das Siegel nicht an seiner gewöhnlichen Stelle steht, während doch an der Urkunde Raum genug vorhanden gewesen


  1. Ein besiegeltes Blankett der Reichskanzlei ohne Ausfüllung ist nicht überliefert, doch hat sich ein solches leeres Pergamentblatt mit dem Siegel des Markgrafen Otto, mit dem Pfeile, von Brandenburg erhalten. Es ist abgebildet bei Posse, Lehre von den Privaturkunden, Tafel XXVII, und stammt aus der Zeit von 1266–1309. Da das Pergament nie beschrieben worden ist, so wird man annehmen müssen, daß die Beurkundung anders als beabsichtigt vorgenommen wurde, oder daß das Rechtsgeschäft nicht zu Stande kam, das Blankett aber in den Händen des Empfängers blieb. Vgl. ebendas. S. 94 Anm. 2 und 164 Anm. 1.
  2. Kaiser Friedrich II. an Mag. Theodor (Huillard-Bréholles 5, 745): mittimus discretioni tue cartam sigillatam et non scriptam mandantes, ut in lingua Arabica ex parte nostra scribas eidem regi. – Im Landeshauptarchiv Wolfenbüttel fand ich eine Urkunde Friedrichs I. (St. 3692) für Heinrich den Löwen, mit sehr schön erhaltener Goldbulle (I, Taf. 21, 3. 4). Die Urkunde ist ohne Datum und Rekognition, gehört aber zweifellos ins Jahr 1154 und ist noch im April auf dem Reichstage zu Goslar verhandelt. Die Schrift ist nicht kanzleigemäß, und das Monogramm, das im voraus mitten auf das Pergament eingetragen ist, weicht von den echten Monogrammen ab. Es war demnach beabsichtigt, zur Seite desselben die Rekognitions- und unten die Datierungszeile nachzutragen. Demnach ist die Urkunde ursprünglich Blankett, aber nie vollzogen worden. Vgl. Posse a. O. 94 Anm. 3, Abbildung der Urkunde ebendas. Taf. XXVIII. – Wegen der Verwendung von Blanketts unter Karl IV. vgl. Lindner a. O. 181 und Ficker, Beiträge 2, 490.
    Ruprecht tadelte den Unfug der Verwendung von Blanketts und erklärte alle Privilegien Wenzels für ungültig, aber die Beurkundung seitens königlicher Bevollmächtigter mit Hilfe besiegelter Blanketts blieb auch später gebräuchlich. Vgl. Mitteil. des österr. Inst. 2, 119 und Ergänzungsband 3, 324.
    St. 500 (Or. Dresden 971) Otto I. für Meißen (Mon. Germ. DD. 1, 552). Alle Merkmale weisen darauf hin, daß Bischof Folchold von Meißen (Bischof seit 969) von der Kanzlei ein Blankett, auf dem WA die ganze erste Zeile und die beiden Subskriptionen geschrieben hatte, und das auch bereits mit Handmal und Siegel versehen war, übergeben wurde, um es gemäß der kaiserlichen Entschließung auszufüllen. Vgl. näheres Uhlirz in Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch. I., Ergänzungsband S. 366f.
    Wegen der Verwendung des Blanketts für St. 4298 und 4299 vgl. S. 148.
    Sehr wertvoll sind die Ausführungen Breßlaus über die Verwendung von Blanketts in der Kanzlei Heinrichs II. (DD. Heinrich II. S. XXIX). Danach sind häufiger, als für irgend eine frühere Regierungsepoche nachweisbar ist, in der Kanzlei Heinrichs II., namentlich seit dem Jahre 1007 Blankette verwendet worden. Diese wurden in sehr zahlreichen Fällen für die bamberger, oft aber auch für andere Urkunden dadurch hergerichtet, daß das Eschatokoll oder Teile desselben (namentlich oft das Monogramm), manchmal auch Teile des Anfangsprotokolles oder dieses und Teile des Kontextes voraufgefertigt wurden. Bisweilen sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Blankette in dieser Gestalt, also vor ihrer Ausfüllung, bereits besiegelt oder wenigstens die Siegelschnitte auf den Pergamentblättern angebracht waren; in einigen Fällen (St. 1331 und 1336) scheinen nur besiegelte Pergamentblätter als Blankette verwandt zu sein. Mehrfach haben sich dann die Urkundenschreiber, wie es scheint, durch Dorsualvermerke über den Inhalt der auszufertigenden Diplome Notizen gemacht. In besonders merkwürdiger Weise hat man aber in zwei Fällen (St. 1642 und 1834) der Verwendung schon besiegelter Blankette zu einem anderen Zweck als zur Beurkundung der von dem Kaiser genehmigten Rechtsgeschäfte vorgebeugt, indem man auf der Rückseite der Siegel (IV, Taf. 73, 9. 10), ehe das Wachs erstarrt war, die Namen der Orte, auf die sich die Urkunden beziehen sollten, einkratzte, da die beiden Urkunden, an denen Breßlau diese Beobachtung gemacht hat, für verschiedene Empfänger (Hersfeld und Kaufungen) ausgestellt sind, kann die Manipulation nur in der Kanzlei vorgenommen sein. Bisweilen sind übrigens Blankette viele Jahre in der Kanzlei oder in Bamberg aufbewahrt worden, ehe sie ausgefüllt wurden (St. 1465, 1479, 1794). Ein Blankett aus der Zeit Heinrichs II. ist sogar bis in die Zeit Heinrichs III. (St. 2482) unausgefüllt geblieben (II, Taf. 56, 1). Vgl. S. 114. Wibel hat auch noch andere Siegel mit Inschriften derselben Provenienzen nachweisen können: Otto II. (St. 740 und 798), Otto III. (St. 948 und 976), Heinrich II. (St. 1361, 1643, 1670, 1692), und da man bisher nicht darauf geachtet, so sind auch weitere Beispiele nicht ausgeschlossen. Einkratzungen anderer Art finden sich auch auf den Siegeln der Diplome Heinrichs III. (St. 2210 und 2274). Wibel möchte diese Inschriften eher als Vermerke archivalischer Ordnungsarbeit deuten, wie sie sonst in der Gestalt von Dorsualnoten zu erscheinen pflegen, denn als in der Kanzlei auf das besiegelte Blankett gemachte Notizen, um Mißbrauch mit diesem zu verhüten. So würden dann auch die Worte nicht in das noch weiche Wachs eingekratzt, sondern erst später mit einem heißgemachten, spitzen Instrument eingeschmolzen sein.
    St. 5003. 1196 Juni 10, Worms (Or. Straßburg, Univ.-Bibl.) für den Bischof von Worms. An der Urkunde hängt das Siegel Heinrichs VI. 2 (I, Taf. 23, 2), das bereits 1196 Mai 20 (St. 4994) nicht mehr im Gebrauch war. In diesem Stempel 2 wurden die Worte Rex–Sicilie nachträglich eingraviert (Heinrich VI. 4 I, Taf. 23, 4), und zwar in der Zeit zwischen 9. April und 20. Mai 1196. Vgl. S. 170. Es kann daher unmöglich St. 5003 am 10. Juni 1196 mit Stempel 2 besiegelt worden sein. Die Datierung lautet: Acta sunt hecimperante domino Heinrico invictissimo Romanorum imperatore semper augusto et rege Sicilie, anno imperii (statt regni) eius XXVI., imperii V, regni vero Sicilie secundo, a. d. i. MCXCVI, indictione XIIII; … datum aput Wormatiam idus iunii. Die Zahlen des Königs- und Kaiserjahres stimmen nicht zum Jahre 1196, sind aber beide in Übereinstimmung für die Zeit vom 15. April bis 15. August 1195. Bezieht man nun diese Daten auf eine frühere Handlung, und zwar zu Worms, so fällt diese in die Zeit vom 16.–19. Juli 1195 (St. 4954, 4955, 4955a). Diese Annahme wird gestützt durch das Äußere des Diploms. Es ist in zwei Absätzen geschrieben. Von den Zeugen ab zeigt die Tinte des ganzen ersteren Teiles eine schwarze Färbung, während sie bis dahin auffällig braun war (Sybel und Sickel, Kaiserurk. Taf. X 18). Auch ist der Schluß des Textes überaus gedrängt geschrieben. Alles das deutet in Verbindung mit der lokalen Färbung der Mehrzahl der Zeugen darauf, daß die letzteren bei der Fertigstellung und Aushändigung der Urkunde gegenwärtig gewesen sind. Die Bischöfe und Grafen unter ihnen finden wir fast sämtlich in St. 5004 wieder. Existierte nun damals der Siegelstempel 2, mit dem St. 5003 besiegelt ist, nicht mehr, so muß die Urkunde bereits früher besiegelt worden [213] sein. Und da bleibt nur die Erklärung, daß sie auf einem mit Stempel 2 besiegelten Blankett hergestellt wurde. Dafür spricht auch, daß der Schluß des Textes überaus gedrängt geschrieben ist, wohl um Raum für die übrigen Teile des Diploms zu gewinnen, deren Umfang man bei Herstellung des Textes nicht berechnen konnte. Dabei ist noch ein Raum für zwei Zeilen am Schlusse der Urkunde übrig geblieben. Da der Schreiber der Urkunde in der kaiserlichen Kanzlei nicht nachweisbar ist, so dürfte deren Herstellung von Empfängerhand erfolgt sein. Bei der Anwesenheit Heinrichs VI. in Worms zwischen 16.–19. Juli 1195 wurde dem Bischof von Worms das Blankett, mit Siegel Heinrich VI. 2 ausgehändigt, der den in auffällig brauner Tinte geschriebenen Text bis zu den Zeugennamen herstellen ließ. Dieser Text stützt sich bis auf einzelne kleine Unterschiede auf die Königsurkunde Heinrichs VI. über dieselbe Angelegenheit (St. 4651, 1190 April 4.). In der Hauptsache sind nur wenige Worte und Wendungen derselben geändert, namentlich alle auf das Königstum bezügliche Ausdrücke durch solche, die der kaiserlichen Würde Rechnung tragen, ersetzt. Infolge eines allzu mechanischen Abänderungsverfahrens ist man dann in der Datierung von St. 5003 zu dem Fehler gekommen, bei den Königsjahren auch schon des Kaisertums zu gedenken und zu schreiben: anno imperii 26, imperii 5. Das bis zu den Zeugennamen in Worms beschriebene Blankett blieb bis zur nächsten Anwesenheit Heinrichs VI. in Worms (Juni 1196) beim Empfänger liegen, worauf die Vollziehung durch Zufügung der Beurkundungszeugen und der Schlußteile erfolgte. Damit werden auch die zwei mit verschiedenen Tinten geschriebenen Absätze erklärlich. In die Datierung nahm man auf Grund des Konzeptes die Jahre des Königs- und Kaiserjahres, in denen Heinrich VI. das Blankett aushändigte, also das Jahr der Handlung, auf. Das Jahr des sizilischen Königstums und die Indiktion entsprechen dem Jahre der Beurkundung und Aushändigung. Eine falsche Berechnung der Königs- und Kaiserjahre dürfte ausgeschlossen sein, denn auch St. 5006, 5010, 5013 aus dem Jahre 1196 weisen die gleiche Berechnung a. reg. 26, imp. 5 auf. Eine nähere Untersuchung dieser Urkunden wird wohl ebenfalls eine Beziehung auf die Handlung erweisen.
    Breßlau UL. 1, 461 Anm. 3 nimmt als wahrscheinlich an, daß für St. 1975 ein bereits besiegeltes Blankett der Partei übergeben wurde, daß aber dieses Diplom nach Ausfüllung des Blanketts noch einmal in die Kanzlei zurückgekommen sei (vielleicht behufs Vollziehung des Monogrammes), da der Ausstellungsort nachgetragen zu sein scheint.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0213.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)