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Nachträgliche Besiegelung durch einen andern als den die Urkunde ausstellenden Herrscher können wir ebensowenig nachweisen, als daß die Kanzlei nach dem Tode desselben noch Urkunden mit dessen Siegel versah, oder ein König ein auf den Namen seines Vorgängers lautendes Diplom durch Aufdrückung seines Siegels bestätigte. Die hiermit nicht übereinstimmenden Urkunden erweisen sich als ursprüngliche Blankette oder Fälschungen[1].

Die Bestätigung vorgelegter Urkunden erfolgte in älterer Zeit durch Unterzeichnung, welcher Form sich Arnulf mehrfach bediente, indem er ohne weitere Beurkundung sein Signum in der sonst


für den einen Ort aus in der Richtung des Itinerars liegenden anderen Orten einige Tage später datiert sind. Die Beurkundung von St. 571 ist daher nach St. Gallen und auf den 14. August zu versetzen, während sich das actum in s. Galli cenobio von St. 572 auf die Handlung, das daneben stehende 18. August dagegen auf die erst in Konstanz erfolgte Beurkundung bezieht. Otto II. führte seit 970 ein eigenes Kaisersiegel (I, Taf. 8, 4). Daß dieses dazumal zur Hand war, lehrt das mit demselben versehene St. 571 (St. Gallen Aug. 14). Daß derselbe Stempel auch ferner beibehalten wurde, zeigt St. 574 (Nierstein, Okt. 18). An St. 572 findet sich aber eins der beiden Siegel, die in diesen Jahren ausschließlich für die Diplome des älteren Kaisers im Gebrauch waren. Erst als der Sohn durch den Tod des Vaters Alleinherrscher geworden war, hat er mit demselben Stempel seine Präzepte beglaubigen lassen. Da nun kein Grund denkbar ist, um dessentwillen man damals in Konstanz, um die Urkunde des Sohnes zu besiegeln, statt des ihm eigentümlichen und zur Verfügung stehenden Stempels den des alten Kaisers gewählt haben sollte, muß man die Befestigung des betreffenden Siegels an St. 572 in die Zeit nach dem 7. Mai 973 (Todestag Ottos I.) versetzen. Sollte also der 18. August bereits an diesem Tage in das Präzept eingeschrieben worden sein, so ist doch letzteres damit noch nicht perfekt geworden, sondern es blieb noch Monate in der Registratur liegen, bis es endlich, wohl auf neue Bitte der Mönche, durch das Siegel beglaubigt und dem Kloster ausgefolgt wurde.

Redlich 139. Rudolf I. Die Urkunde von 1274 April 6 trägt das erst später von 2274 Aug. 28 verwendete Siegel (I, Taf. 40, 5), doch hat bereits Redlich darauf hingewiesen, daß die Urkunde vom Empfänger im Kloster Weingarten nach dem Muster der vorangehenden (Reg. 138) mit Siegel (I, Taf. 40, 4) hergestellt, von der Kanzlei aber dann erst viel später besiegelt wurde. Vgl. auch Mitteil. des österr. Inst. 29, 631.

  1. St. 500. Vgl. S. 212.
    St. 2513. Heinrich III. 1053 Juni 10. Nach den Ausführungen von Steindorff, Heinrich III. 1, 402 und v. Heinemanns, Cod. Anhalt. 1, 95 ist die Unechtheit dieser Urkunde außer allem Zweifel. Und auch Breßlau, N. Archiv 6, 555 weist nach, daß die Schrift eine nicht ungeschickte Nachzeichnung des echten Diploms für Nienburg (St. 2218, 1041 Juli 22) ist. Diesem sind auch Eingangsprotokoll, Königsunterschrift und Monogramm, sowie Kanzlerunterschrift entlehnt. In enger Beziehung steht aber auch St. 2513 zur Urkunde Heinrichs IV. für das Kloster Ballenstedt (St. 2764, 1073 Juli 26) und zwar wegen dessen, was geschenkt wurde. Beide Urkunden befinden sich hierin in vollster Übereinstimmung, nur fehlt St. 2513 die Angabe von drei Hufen zu Welbsleben, während andererseits in St. 2764 die Kirche zu Osmarsleben ganz unerwähnt bleibt. St. 2764 ist die Bestätigung Heinrichs IV. der Schenkungen seines Vaters. Ersterer hat aber der Schenkung des Vaters noch die erwähnten drei Hufen hinzugefügt. Auf die falsche Addierung der Gesamthufenzahl von 21 statt 20 in St. 2764 kann kein Gewicht gelegt werden. Und wenn in dorso von St. 2513 die Zahl der geschenkten Hufen ebenfalls auf 21 statt 17 angegeben ist, so kann das durch die Flüchtigkeit des Klosterarchivars, der die Angaben beider Urkunden für identisch hielt, erklärt werden. Zudem geben uns gerade das Fehlen der Angabe der drei Hufen zu Welbsleben bei St. 2513 und die Nichterwähnung der Kirche zu Osmarsleben bei St. 2764 den Fingerzeig zu der Annahme, daß bei Herstellung der Fälschung von St. 2513 inhaltlich St. 2764 zur Vorlage nicht gedient hat. Dem Fälscher haben vielmehr ein Akt und eine Urkunde Heinrichs III., die nach St. 2764 von ihm „nondum imperator, sed rex“ für das Kloster Ballenstedt ausgestellt ist, vorgelegen. Daß die Schrift eine Nachahmung von St. 2218 für Kloster Nienburg erkennen läßt, ist nicht beweisend für die Annahme, daß gerade diese Urkunde dem Fälscher als Vorlage gedient haben muß. Ebensogut kann es eine jetzt verlorene, von demselben Schreiber geschriebene und in Goslar oder Tilleda (im Juni oder Juli St. 2217, 2218) ausgestellte Urkunde für Kloster Ballenstedt gewesen sein, und zwar um so wahrscheinlicher, als St. 2513 einen selbständigen, von St. 2218 abweichenden Text hat. Diese verlorene Urkunde hat anscheinend die erste Schenkung an den Grafen Adalbert von Ballenstedt für das von ihm in Ballenstedt zu gründende Kloster betroffen und ist, der Rekognitionszeile zufolge, vor 8. November 1042, wo der Kanzler Eberhard Patriarch von Aquileja wurde, angefertigt worden, wie wir annehmen, gleichzeitig mit St. 2218 im Jahre 1042, als Heinrich III. in Goslar oder Tilleda weilte. Die Vollendung und Einweihung des Klosterbaues, für den Heinrich III. damals die Schenkung gemacht hat, erfolgte erst am 10. Juni 1053. Es kann nun mit Rücksicht auf die bestimmten Angaben über die Weihe, nicht bezweifelt werden, daß damals ein kurzer Akt von dem für das Kloster so wichtigen Ereignis von jenem gemacht worden ist. Und die Anwesenheit Heinrichs III. bei der Weihe wird auch durch das Itinerar glaubhaft, da nach St. 2436–39 sich Heinrich III. vom 17. Mai bis 6. Juni 1053 in Goslar aufhielt, und sein Aufenthalt in Minden am 14. Juli (St. 2440) den Besuch von Ballenstedt in der Zwischenzeit nicht ausschließt. Eine Verbriefung hat jedoch anscheinend damals (1053) nicht stattgefunden, worauf aus dem „dotavimus, prout tunc potuimus“ von St. 2513 geschlossen werden kann. Diesem Mangel suchte man später, als Ballenstedt dem Kloster Nienburg inkorporiert war, wohl zu gleicher Zeit mit St. 2764, in Nienburg abzuhelfen, indem man, unter Anlehnung an die jetzt verlorene Urkunde von 1041 und mit Benutzung des Aktes von 1053, St. 2513 fälschte. Protokoll- und Textteile beider wurden kombiniert, für die Datierung jedoch das Datum der Weihe des Klosters gewählt, für dessen Erbauung Heinrich III. bereits im Jahre 1041 Schenkungen gemacht hatte. Die Fälschung ist bereits im 11. Jahrhundert, anscheinend, wie erwähnt, zu gleicher Zeit mit St. 2764 entstanden. Die Urkunde trägt nicht das Siegel Heinrichs III., sondern das Heinrichs IV. (I, Taf. 16, 4 = IV, Taf. 84, 5), letzteres ist ganz identisch mit dem von St. 2764, aber auch erweislich nicht nachträglich angebracht. Es bleibt deshalb nur die Erklärung übrig, daß sich Kloster Nienburg bei Gelegenheit der Verbriefung des Besitzes des bereits damals Nienburg inkorporierten Klosters Ballenstedt, durch Heinrich IV., der auch seinerseits noch eine Schenkung von drei Hufen in Welbsleben hinzufügte, ein besiegeltes, ebenso wie St. 2764 aus italienischem Pergamente bestehendes Blankett zu verschaffen gewußt und auf dieses unter Zugrundelegung der jetzt verlorenen ballenstedter Urkunde und des Weiheaktes nach Schrift und Inhalt beider St. 2513 gefälscht hat. Und daß die Fälschung schon im 11. Jahrhundert hergestellt worden ist, ergibt sich auch daraus, daß sich auf St. 2513 die Dorsualbemerkung befindet: „Emunitas Heinrici III. super XX et I in Ballenstede traditis“ von einer Hand des 11. Jahrhunderts, derselben, von welcher die Rückschrift auf St. 2764 herrührt. – Breßlau im N. Archiv 6, 555 und Urkundenlehre 1, 974 ist die Besiegelung von zwei echten Urkunden Heinrichs III. für das Stift St. Simon und Judas zu Goslar St. 2365 (1049 März 15) und 2394 (1050 Nov. 24), sind beide Originale im Stadtarchiv zu Goslar, mit dem Siegel Friedrichs I. versehen. Dasselbe Siegel findet sich auch an der Urkunde Friedrichs I. für denselben Empfänger (II, Taf. 49, 7). Diese Urkunde ist aber, wie das Siegel selbst, eine Fälschung wohl erst aus dem beginnenden 13. Jahrhundert. Man wird schließen können, daß der Fälscher, der den Stempel hergestellt oder doch derjenige, der ihn für das falsche Diplom Friedrichs I. verwendet hat, denselben Stempel benutzte, um die [217] vermutlich verloren gegangenen Siegel an den genannten Diplomen Heinrichs III. zu ersetzen. Vgl. Wibel (N. Archiv 35, 253) und Bode, Goslarer Urkundenbuch 1 S. 129. 133. 348. Vgl. auch S. 113. 118.
    BF 170. Echte Urkunde Philipps mit dem Siegel Friedrichs II., das an Stelle des verlorenen von dem Besitzer der Urkunde zugefügt wurde. Vgl. S. 221.
    Ficker, Beiträge 2, 201 machte auf ein sehr auffallendes Beispiel aus der Zeit des 14. Jahrhunderts aufmerksam. An der Urkunde Ludwigs IV. 1314 Dez. 24 (Reg. Lud. 40 Or. Frankfurt a. M.), die ganz unverdächtig ist, hängt das Siegel König Rudolfs I. (II, Taf 50, 4 = I, Taf. 40, 5). Ficker glaubt, daß, da kaum an etwas anderes zu denken sei, als an ein Vergreifen im Siegelstempel, der Fall deshalb Wert habe, weil er beweise, wie weit die Nachlässigkeit, in der Kanzlei in solchen Dingen gehen konnte. Damit würde aber, bei Fickers Annahme, der Beweis geführt sein, daß nach dem Tode des Königs der Siegelstempel Rudolfs I., wie das in einzelnen Fällen nachweisbar ist (S. 142), nicht zerschlagen, sondern in der Reichskanzlei aufbewahrt worden sein. Eine nähere Untersuchung des Siegels ergibt jedoch, daß mit einem scharfen Instrumente die beiden Teile der Siegelschnur von hinten aus der Schale zum Zwecke der Verpflanzung von einer Urkunde Rudolfs I. an die Urkunde Ludwigs IV. losgelöst wurde. Man sieht (II, Taf. 52, 4) genau die Spuren, wie die Schnur mit den Fingern wieder eingebettet worden ist.
    Urkunde Karls IV. 1346 Aug. 4 (II, Taf. 57, 5. 6 Or. Coblenz), wo dieser noch gar nicht König war. Die Schrift auf Pergament ist aus dem 17., aber Nachahmung des 11. Jahrhunderts. Lindner a. O. 205. Die Untersuchung des Siegels ergibt, daß es ein solches von König Adolf (II, Taf. 57, 5. 6 = I, Taf. 43, 2) ist. Die obere Siegelplatte ist vom Fälscher losgelöst, die Siegelfäden sind mit Platte und Schale wieder vereinigt worden.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0217.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)