Seite:Posse Band 5 0232.jpg

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die ursprünglich glatte Fläche wellenförmig erscheint. Die Ähnlichkeit des Henkels mit den von vier anderen, wettiner Stempeln, lassen erkennen, daß alle fünf Stempel derselben Fälscherfabrik entstammen.

Franz Paul Edler von Smitmer, Domherr zu St. Stefan in Wien (geb. zu Wien 1740, † ebendaselbst 1796 Okt. 4) richtete bei seinen Studien der Geschichte der geistlichen Orden sein Augenmerk auch auf Siegel. 1722 gelangte er in den Besitz einer alten Siegelsammlung, die ursprünglich von dem Paduaner Sartorio Ursato angelegt war. Nach Ursatos Tode (1678) erwarb die Sammlung der damalige holländische Gesandte in Venedig van Stryker, von dem sie an den nürnberger Kaufmann Geysel kam. Der sächsische Historiograph Glafey († 1753) erheiratete sie und setzte sie fort. Aus Glafeys Besitz wanderte sie in jenen v. Smitmers, der sie nicht nur bereicherte, sondern dazu auch verschiedene Kommentare schrieb und durch Register besonders nutzbar machte. Nach v. Smitmers Tode kam die Sammlung in den Besitz des Wirtschaftsdirektors Kowatsch, dann des geheimen Kabinettsoffizialen Löscher, von dessen Witwe sie – 9000 Stück – durch Kauf in den Besitz des k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs zu Wien überging.

Wie bereits erwähnt, befinden sich in der smitmerischen Sammlung auch vier wettiner Stempel aus der Zeit von 1207–1324 (Posse, Siegel der Wettiner [Taf. III, 1; VII, 4; IX, 5; XIV, 2]). Die prächtige Erhaltung dieser und des Stempels von Heinrich III., die Gleichmäßigkeit in der Bearbeitung aller Stempel, sowie die Ähnlichkeit aller fünf Henkel lassen schon nicht den Glauben aufkommen, daß hier echte Stempel vorliegen, zumal gerade in der Zeit, der jene angehören, die Handhaben nicht nach der Mitte der Rückseite zu, sondern oben am Kopfende der Stempel angebracht zu werden pflegten, wie das auch durch die vier Originale des Hauptstaatsarchivs Dresden und für Heinrich III. durch die Abbildung (I, Taf. 14, 1) bewiesen wird. Bei allen fünf Stücken hat der Zapfen am Kopfende Spuren im Wachs hinterlassen.

Wann sind nun diese fünf Fälschungen angefertigt worden? Sie haben wohl noch nicht dem Urstock der smitmerischen Sammlung, der des Paduaners Sartorio Ursato († 1678) angehört, sondern sind erst durch den Nachbesitzer Glafey († 1753) in diese gelangt, denn auffällig ist es, daß sich eine verhältnismäßig große Zahl wettiner Stempel als Fälschungen in der Sammlung befindet. Glafey war als sächsischer Archivar in der Lage, Abdrücke von Originalsiegeln des Hauptstaatsarchivs zu Dresden, auch Heinrichs III., anfertigen zu lassen, nach denen dann die Stempel gefälscht worden sind. Auf die Zeit Glafeys weist auch die Form der auf deren Rückseite eingegrabenen Nummern hin.

In gleicher Weise, wie die fünf Stempel der smitmerischen Sammlung, sind offenbar auch die in neuerer Zeit im Handel aufgetauchten Stempel Friedrichs II. (IV, Taf, 82, 3), Karls IV. (II, Taf. 51, 5 und IV, Taf. 83, 3), Karls VI. (IV, Taf. 11, 1), sowie der Landfriedenssiegel unter Wenzel (II, Taf. 62, 5. 6; 63, 5) und wohl auch Sigismund (II, Taf, 63, 7) hergestellt worden.

Anders verhält es sich wohl auch nicht mit dem Stempel Friedrichs II. für das Königreich Sizilien (I, Taf. 30, 1), der von Palermo aus in Rom und dann in Florenz im Jahre 1893 im dortigen Kunsthandel auftauchte, seitdem aber vermutlich in der Sammlung eines Käufers verschwunden ist. Winkelmann, der den Stempel für echt hielt, gab nach einem Abdruck eine verkleinerte Abbildung, die annähernd mit dem echten Typus (I, Taf. 29, 4) übereinstimmt, deren Abweichungen aber die Fälschung deutlich erkennen lassen und auf den Fälscher zurückzuführen sind, der eine wohl nicht mehr intakte Vorlage benutzte und die Ligaturen der Legende nicht verstand. Die Unechtheit der Stempel Wilhelms (II, Taf. 50, 7–10) und zweier Rudolfs I. hat Haberditzl zweifellos erwiesen, von denen der erstere im Jahre 1817, der Stempel Rudolfs I. (I, Taf. 41, 1–3) im Jahre 1857, der andere (I, Taf. 41, 4 und IV, Taf. 83, 1) in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts bekannt wurden. Alle sind gefälscht nach echten Siegeln.

Wie im Kunsthandel der modernen Zeit nachweislich massenweise Gegenstände der Kleinkunst, zu denen auch die Siegel gehören, gefälscht werden, so ergibt sich als Ergebnis der Untersuchung, daß alle bisher bekannt gewordenen Stempel der Kaisersiegel als spekulative Fälschungen anzusehen sind.

In einzelnen Sammlungen finden sich Abdrücke von Siegeln, die an Urkunden nicht gefunden werden, aber von den bekannten Typen mehr oder weniger abweichen, deren Herstellung müssen demnach ebenfalls Stempel, wie nachweislich der Stempel Karls IV. (II, Taf. 51, 5), hergestellt sein, mag dazu Metall oder das Negativ in irgendwelcher Masse verwendet sein.

Obgleich die Luxemburger Heinrich VII. und Karl IV. als Könige je nur einen Thronsiegelstempel geführt haben, werden nach in einzelnen Siegelsammlungen vorhandenen Abdrücken dem ersteren außerdem noch zwei (II, Taf. 51, 2; I, Taf. 46, 5), Karl IV. noch drei Stempel (II, Taf. 51, 3–5) zugeschrieben, doch erbringt Haberditzl den sicheren Nachweis, daß die Siegel Heinrichs VII. (II, Taf. 51, 2) und Karls IV. (II, Taf. 51, 3) im Abdruck von den Originalsiegeln (I, Taf. 46, 4; II, Taf. 1, 5) gefälscht und nach diesen Fälschungen auf mechanischem Wege um 10 mm verkleinerte Exemplare (I, Taf. 46, 5; II, Taf. 51, 4) hergestellt wurden. Zu diesen tritt noch hinzu der gleichfalls gefälschte Stempel Karls IV. (II, Taf. 51, 5).

Die Verkleinerung wird auf mechanischem Wege dadurch erreicht, daß man bei der Eigenschaft des Gipses gleichmäßig zu schwinden, ihn nach dem Erstarren in starken Spiritus bringt und ihn darin 24 Stunden liegen läßt. Hierauf macht man davon einen zweiten und dritten Abguß, der jedesmal im Spiritus eine Verkleinerung erfährt, bis man die gewünschte Größe erzielt hat.


Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0232.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)