Seite:Prinzessin Ilse (Marie Petersen).pdf/43

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Marie Petersen: Prinzessin Ilse

Menschen gewonnen. Sie drängte sich gegen das Ausgangsthor und lugte tröpfelnd durch die Bretterthür auf das tiefer liegende Haus. Da sah sie dicht unter sich ein gewaltiges, neu gezimmertes Mühlrad, und des Müllers lockiger Knabe stand auf dem Steg und rief lachend herüber: „Ja, guck du nur herab, Prinzessin Ilse, die Thüren werden gleich aufgethan; dann wird der Tanz losgehen, und du sollst dich lustig um das Rad schwingen.“ „Soll ich denn gerädert werden?“ dachte die kleine Ilse, und schaute mit klopfendem Herzen auf das riesenhafte Rad hinab. Das fing aber in allen Speichen an zu knarren und zu knistern und flüsterte ihr zu: „Kennst uns denn nicht, kleine Ilse? Wir sind ja Holz von deinen lieben Bäumen; kennst uns nicht mehr? Brauchst Nichts zu fürchten; wir thun dir kein Leid.“ Und als der Müller nun auch heraus trat, sich anschickte, das Wehr in die Hohe zu ziehen, und lustig rief: „Nun komm herab, kleine Ilse, hast lange genug dort im Teich geruht; komm und rühr’ dich und hilf uns arbeiten“, – da that die kleine Prinzessin gar nicht sehr zimperlich, sondern lief schnell an das Rad heran, nahm ihre Kleiderchen zusammen und trat mit den zarten Füßchen, behend und vorsichtig, erst auf die eine Speiche und dann auf die andere, und als das Rad unter ihren leichten Tritten sich zu regen begann, da hüpfte sie kecklich weiter, von Staffel zu Staffel, ließ ihren Schleier im Winde flattern, stülpte das Schaummützchen auf und schoß endlich brausend und rauschend den Mühlgraben entlang, während das Rad sich in mächtigen Schwingungen drehte, die Mühle den Tact dazu klapperte und silberhelle Perlenschnüre, die Prinzessin Ilse aus den feuchten Locken verloren, von allen Speichen des Mühlrades herniedertropften.

Die kleine Ilse war nun eine Arbeiterin im Dienste der Menschen geworden,

Empfohlene Zitierweise:
Marie Petersen: Prinzessin Ilse. Alexander Duncker, Berlin 1857, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzessin_Ilse_(Marie_Petersen).pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)