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Hamiltonsche Prinzip prüfen, so müssen wir auf die Grundgleichungen der Dynamik des Elektrons zurückgehen.

Das soll jetzt geschehen; dabei sollen die Annahmen über die Bewegung etwas allgemeiner gehalten sein; wir beschränken uns nicht auf translatorische Bewegungen, sondern ziehen auch Rotationen in Betracht. Wir führen ein Koordinatensystem ein, das in dem bereits oben erwähnten, mit dem Elektron starr verbundenen Gerüst befestigt ist. Wir schreiben

die zeitlichen Änderungen der Feldstärken, beurteilt von diesem Gerüst aus, und bezogen auf das im Gerüste feste Achsenkreuz. Die beiden ersten Feldgleichungen nehmen dann die einfache Form an:

8)

Die Form der Feldgleichungen legt es nahe, eine Klasse ausgezeichneter Bewegungen herauszuheben, nämlich solche, deren Feld stationär ist in Bezug auf jenes Gerüst. Zu den „ausgezeichneten“ Bewegungen gehört die reine Translation, ebenso die reine Rotation des kugelförmigen Elektrons, endlich auch Translation, verbunden mit Rotation um die Richtung der Translationsbewegung; bei Rotation um eine zur Bewegungsrichtung schiefe Achse hingegen wird der Geschwindigkeitsvektor keine feste Lage im Gerüst besitzen, mithin das Feld, bezogen auf das Gerüst, nicht stationär sein. Für die ausgezeichneten Bewegungen verschwindet ; es ist mithin nach (8) der für die inneren Kräfte massgebende Vektor der Gradient eines Skalars φ; dieser wird „Konvektionspotential“ genannt. Mit ihm hängt die „Lagrangesche Funktion“ durch die Relation zusammen:

9) .

(In meiner früheren Mitteilung habe ich, diese Formel als Verallgemeinerung einer Formel der gewöhnlichen Potentialtheorie betrachtend,

als „Kräftefunktion“ des Elektrons bezeichnet.)

Für die „ausgezeichneten“ Bewegungen nun lässt sich der Impuls aus der Lagrangeschen Funktion ableiten. So gelten, für reine Translation, die Gleichungen:

9a)
9b ,

die man in der analytischen Mechanik als erste und zweite Zeile der Lagrangeschen Gleichungen bezeichnet. Es gilt ferner für die Energie die aus der analytischen Mechanik bekannte Beziehung:

9c .

Diese Formeln sind implicite bereits in meiner früheren Mitteilung enthalten; man hat für die Lagrangesche Funktion des kugelförmigen Elektrons zu setzen

10) .

Aus (10), (9a) und (7) folgt insbesondere für die transversale elektromagnetische Masse die Formel:

10a) ,

die durch Herrn Kaufmanns Versuche eine so glänzende Bestätigung erfahren hat.

(Es ist bemerkenswert, dass, wenn man homogene Flächenladung anstatt Volumladung annimmt, die Lagrangesche Funktion, ebenso wie μ0 den Faktor erhält, die Formel (10a) aber gültig bleibt.)

Zu den „ausgezeichneten Bewegungen“ gehört auch die reine Rotation. Hier wird

11) , wo C, p Konstanten sind.

Es wird mithin der Drehimpuls

11a) ,

analog einer materiellen starren Kugel; für p, das „elektromagnetische Trägheitsmoment“, erhält man

11b) ,

während bei einer mit materieller Masse M homogen erfüllten Kugel das Trägheitsmoment P ist.

Bei reiner Rotation tritt nichts Bemerkenswertes ein. Bei langsamer Translationsbewegung begeht man nur einen Fehler von der Ordnung β², wenn man , setzt. Drehende Kräfte treten auf beim Durchgang der Kathodenstrahlen durch inhomogene Felder. Doch ist, da der Radius des Elektrons a so klein ist, die Drehkraft sehr gering; daher beträgt, nach meiner Schätzung, die Energie der in Feldern von der grössten erreichbaren Inhomogenität

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Max Abraham: Prinzipien der Dynamik des Elektrons. S. Hirzel, 1902, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzipien_der_Dynamik_des_Elektrons.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)