Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 014.jpg

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weiter. Da war es ihm plötzlich, als riefe hinter ihm seine Schwester. Da drehte er sich um und war in einen Leichenstein verwandelt, und auf dem standen seine letzten Gedanken an seine Schwester verzeichnet.

Am Schlosse wurde nun auch das zweite Tuch blutig; da kam die Zauberin wieder und forderte auch das Mädchen auf, ihren Brüdern zu Hülfe zu eilen, welche ausgezogen waren nach springendem Wasser, sprechendem Vogel und singendem Baum; sie hoffte aber, daß das Mädchen nun auch noch umkommen würde. Da ritt das Mädchen fort, fand den Greis unter dem Baume und er sprach: „Ich zweifle sehr, daß es dir gelingen wird, deine Brüder zu retten, und das springende Wasser, den sprechenden Vogel und den singenden Baum zu erlangen, denn es stehen dort am Berge schon die Leichensteine unzähliger muthiger Ritter, die nach den drei Dingen auszogen, und es doch nicht über sich gewinnen konnten, immer unverzagt vorwärts zu dringen. Willst du dich aber nicht zurückhalten lassen, so nimm hier von meinen Haaren und verstopfe dir die Ohren damit, denn die Baumwolle, welche ich deinem zweiten Bruder gegeben habe, scheint sein Ohr nicht hinlänglich geschützt zu haben vor den falschen Stimmen am Berge.“

Der Greis begleitete das Mädchen wieder bis an den Fuß des Berges, und die Jungfrau begann den Berg hinanzuklimmen.

Mit betrübtem Herzen las sie, was an den Leichensteinen ihrer Brüder stand, aber schnell faßte sie wieder Muth, ging weiter und wie viel tausend Schlangen auch ihr Kleid anfaßten, so gelangte sie doch zu der Stelle, wo das springende Wasser gar lustig sprang, der singende Baum seine Lieder sang und der sprechende Vogel in einem Käfig hing. Als der sie sah, wurde er so wüthend, als wolle er sie tödten. Sie aber legte die Hand auf den Kopf des sprechenden

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_014.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)