Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 056.jpg

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es nicht; der Gevatter wolle aber bei der Taufe sein und das Kind über die Taufe heben. Damit beruhigt sich die Frau.

Nun gut! Wie die Aeltern mit der Kindsfrau auf den Gevatter warten, läßt sich Keiner sehen und sie gehen endlich voll Angst nach der Kirche. Da an der Kirche steht ein langer hagerer Mann in ganz schwarzer Kleidung, der hat ein blasses Gesicht gehabt. Und der Kindtaufsvater erkennt ihn, daß es der Gevatter Tod ist. Und der Gevatter sagt, solle er das Kind über die Taufe heben, so müßte es auch seinen Namen haben. Also gehen sie in die Kirche, und wie der Prediger fragt nach dem Gevatter, nennt sich der Gevatter: Ich heiße Tod. Der Pfarrer verwundert sich und sagt, so ein Name sei ihm doch in seiner Gemeinde nicht bekannt. „Glaub' ich wol, ich bin der bekannte Tod von Gräberfeld.“ Der Pastor schüttelt den Kopf, sagt aber nichts. Als gefragt wird bei der Taufe, wie das Kind genannt werden soll, sagen sie „Tod“. So hat der Knabe den Namen Tod erhalten.

Als sie aus der Kirche heraus sind, sagt der Gevatter: Nun sollten sie nur ihr Kind gut halten und zur Schule schicken und Medicin studiren lassen, und wenn der Sohn ausstudirt habe, so wolle er ihn besuchen.

Der Knabe wächst heran, kommt in die Schule, ist fleißig und hat ganz herrlich gelernt, und hat einen so guten Kopf gehabt und sich immer so gut betragen, daß alle Menschen ihre Freude daran gehabt haben, und vornehme Leute nehmen sich seiner an und lassen ihn studiren.

Da studirt er Medicin. Wie er fertig ist auf Universitäten und schon abreisen will nach Hause, denkt er: es ist doch recht sonderbar von deinem Gevatter, daß er dir den Namen Tod hat geben lassen und daß er verordnet hat, du sollst Medicin studiren. Wer wird dich zum Arzt annehmen,

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_056.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)