Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 160.jpg

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er stehen und sieht fortwährend gen Himmel. Nun ist eine Frau Amtmannin auch neugierig, so gut wie eine Tagelöhnerfrau, und will wissen, was in der Welt vorgeht. Darum hält die Dame ihren Schimmel an und fragt: was er denn da machte und warum er fortwährend gen Himmel sähe. Er aber winkte ihr: sie solle nur ruhig sein, er sei soeben vom Himmel gefallen und müsse das Loch in Acht nehmen, wo er herausgefallen sei, damit er wieder hineinkönne, denn hier auf der Erde könne er doch nicht bleiben, das sei nichts für ihn, wer erst einmal im Himmel gewesen sei, dem komme es hier zu ledern für.

Wie die Frau Amtmannin das hört, fragt sie sogleich: wenn er aus dem Himmel sei, ob er dann ihren Sohn nicht kenne, der vor zwei Jahren gestorben wäre. Ja, sagt er, den kenne er wol, dem ginge es oben schlecht, denn weil er vom Lande sei und mit der Wirtschaft Bescheid wüßte, so müsse er oben Futter schneiden. Darüber fängt die Frau Amtmannin gewaltig an zu lamentiren, daß ein Amtmannssohn im Himmel Futter schneiden müsse. Sie sagt, das hätte sie nicht gedacht; ob sie ihrem Sohne denn wol nicht mit etwas Geld unter die Arme greifen könne? Sie hätte hier einen Beutel mit tausend Thalern, den sollte sie von ihrem Manne ihrem Stiefsohne bringen, der fortwährend in großer Geldverlegenheit sei; wenn sie aber wüßte, daß ihrem verstorbenen Sohne damit geholfen werden könne, so würde sie ihm auf der Stelle den Beutel mit in den Himmel schicken, denn er sei doch von ihrem eigenen Fleisch und Blut, und ihr Stiefsohn könne warten. Der kluge Mann sagt: das Geld wolle er schon besorgen, er sähe ihren Sohn im Himmel alle Tage. Die Frau gibt ihm also den Beutel; er sagt: da er nun einmal auf der Erde sei, so wolle er doch hier auch seine Verwandten einmal besuchen. Das Loch im Himmel, woraus er gefallen sei, hätte er sich genau gemerkt,

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_160.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)