Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 181.jpg

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Im Stillen dachten die Rathsherren doch, wie spitz sie sich auch geäußert hatten, daß der Kaufmann die Wette gewinnen würde, und sie hofften bei dieser Gelegenheit den Wirth aus dem Rathskeller und aus der ganzen Stadt loszuwerden. Denn die Kaufmannsfrau war als ein tugendsames Weib bekannt, und der Bürgermeister wußte sogar von seiner eigenen Frau, daß der Rathskellerwirth ihr vergeblich seine Anträge gemacht hatte, wie sie noch als Magd bei ihm diente. Alle aber verpflichteten sich, die Wette ganz geheim zu halten, und so erfuhr auch Niemand etwas davon außer Denen, die dabei zugegen waren, und nur der Gastwirth hielt dieses Versprechen nicht, wie wir bald erfahren werden.

Die Zeit kam heran, wo der Kaufmann wieder zur Messe reiste. Kaum war er aus der Stadt fort, so stellte der Wirth der Magd der Kaufmannsfrau nach. Eines Abends traf er sie beim Wasserholen am Marktbrunnen, und da versprach er ihr vierzig Thaler, wenn sie ihm erlaube sich vor dem Schlafengehen auf die Kammer der Kaufmannsfrau zu schleichen. Er versprach zugleich der Frau nicht ein Haar zu krümmen, sondern sich ruhig unter ihr Bett zu legen und wenn sie eingeschlafen sei, die Kammer heimlich wieder zu verlassen. Die Magd sträubte sich anfangs das zu thun. Der Wirth aber trat jeden Abend am Marktbrunnen zu ihr und erneuerte seine Bitten, und da die Magd nicht häßlich war, so versprach er ihr endlich hoch und theuer sie zu heirathen, wenn sie ihm bei seinem Vorhaben behülflich sei. Da ließ sie sich noch einmal von ihm geloben, daß er sogleich die Kammer der Kaufmannsfrau verlassen wolle, wenn er unter ihrem Bette hervorkröche. Hierauf führte sie ihn noch denselben Abend an der Hand im Dunkeln durch das Kaufmannshaus, das sehr verbaut, aber auch sehr groß und geräumig war, und in

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_181.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)