Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 184.jpg

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und hier das Hemde, das sie am Leibe trug und welches mit deinen Namensbuchstaben gezeichnet ist. Noch eins: hat nicht deine Frau ein Muttermal wie eine Linse groß auf der linken Seite, he? Habe ich Recht oder habe ich Unrecht?“ Als das von dem Muttermale kam, da blinzelten sich die Rathsherren Alle zu und gaben die Sache des Kaufmanns verloren. Der aber wandte das Hemd, den Ring und das Armband auf dem Tische hin und her und sprach wieder: „Unmöglich ist es wahr, das sage ich noch einmal, meine Frau ist nicht so gesonnen.“ Nun nimmt der Wirth wieder das Hemde, den Ring und das Geschmeide in die Hände und sagt: „Wenn Das nicht gelten soll, was soll dann gelten?“

Weil der Kaufmann nun nicht leugnen konnte, daß dies Alles seinem Weibe angehöre, so entschied der Rath sogleich, daß sein ganzes Vermögen dem Wirth anheim fallen solle. Der Kaufmann bittet nur noch, daß er zuvor seine Frau fragen dürfe, wie sie ihre Sachen und namentlich den Ring und das Halsgeschmeide verloren hat. Das wird ihm bewilligt unter der Bedingung, daß er sein Versprechen halten muß und Niemandem, selbst seiner Frau nicht, von der Wette etwas verrathen darf.

Der Kaufmann geht nach Hause, da tritt ihm seine Frau in ihrer ganzen Schönheit mit ihrem Knaben auf dem Arme und geschmückt mit dem Ringe und dem Halsschmucke, den sie sich bei dem Goldarbeiter in der Stadt hat verfertigen lassen, entgegen. Der Kaufmann sieht gar nicht, daß sie die Schmucksachen an ihrem Körper trägt, und fragt sogleich: „Kind, wo hast du deinen Ring, und wo hast du deinen Halsschmuck?“ „Hier ist der Ring“, antwortet sie und hebt dabei den Goldfinger auf. „Und hier ist der Halsschmuck“, fügt sie hinzu, ergreift seine Hand und führt sie an ihren Hals und an ihre Wangen.

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_184.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)