Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 195.jpg

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der Goldschmied zu der Kaufmannstochter herein, da stützt sie nicht den Kopf in die Hand, sondern springt gleich auf ihn zu, liebkost ihn und sagt: ob er ihr wol einen Wunsch erfüllen wolle. Der Goldschmied sagt auch: Was thäte man denn nicht um eines Mädchens willen? küßt sie und legt ihr ein Paar schöne Armspangen um, die er gerade an diesem Tage für sie fertig gemacht hat. Darauf sagt sie: sie hätte einen Vetter, der hätte um sie angehalten, aber sie möchte ihn nicht. Da hätte er sich aus Verzweiflung dem Teufel ergeben. Diese Nacht um elf Uhr würde der ihn vom Grabe des Bürgermeisters abholen, und zuerst dreimal mit ihm um den Kirchhof herum galoppiren. Da wünschte sie nun, daß Einer dabei wäre, der ordentlich aufhaute. Wenn der Teufel recht gehetzt würde, so würfe er zuletzt ihren Vetter ab, und das wäre ihr lieb, denn wenn sie ihn auch nicht möchte, so sähe man doch auch nicht gern einen Vetter zur Hölle fahren. Wenn aber der Vetter, der auf des Teufels Rücken säße, von den Peitschenhieben auch etwas abbekäme, und recht viel, das sei ihr ganz recht, denn sie möchte ihn nun einmal nicht.

Das leuchtete dem Goldschmied ein. Er liebkoste die Kaufmannstochter und sie versprach ihm, wenn er seine Sache gut mache mit der Peitsche, so wolle sie ihn heirathen. Da küßte er sie nochmals und ging zu seinen Kameraden ins Wirthshaus.

Die andern Beiden saßen schon beim Weine da. Als es gegen elf Uhr hinkam, da trank zuerst der Schneider sein Glas aus, ging stillschweigends auf den Kirchhof und legte sich auf des Bürgermeisters Grab. Bald darauf trank auch der Sattler sein Glas aus und ging ebenfalls stillschweigends nach dem Kirchhofe. Da ließ sich der Goldschmied noch eine Halbe Wein kommen, die trank er geschwind noch aus aufs Wohlsein seiner Schönen, dann nahm

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_195.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)