Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 196.jpg

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er die Peitsche, die er sich bereits heimlich von einem Fuhrmanne geborgt und auf den Flur des Wirthshauses hingestellt hatte, und ging auch fort.

Wie er nun mit der Peitsche auf den Kirchhof kommt, hat der Sattler den Schneider schon auf dem Rücken und galoppirt mit ihm an der Mauer entlang, er war aber noch nicht zum vierten Theile herum, denn in Wien sind die Kirchhöfe groß. Der Sattler und der Schneider haben Jeder den Andern für den Teufel gehalten und darum kann man sich denken, wie die einander im Laufen und Rennen gezwickt und gepeinigt haben. Da fährt nun auch der Goldschmied mit seiner Peitsche auf sie los, und der Sattler und der Schneider denken nicht anders, als das müsse so sein und gehöre dazu, daß ein Höllengeist mit der Peitsche käme und zu dem Höllenmarsch tüchtig hinten aufhaue.

So galoppirt der Sattler dreimal mit dem Schneider herum, der Goldschmied sitzt ihnen fortwährend mit der Peitsche auf dem Nacken und Beide bekommen von ihm gleichviel Prügel. Ja, wenn ich's aufrichtig sagen soll, so bekam der Schneider noch mehr als der Sattler, denn der mußte dem Sattler den Rücken decken und der Goldschmied dachte: Es ist genug, wenn ich den armen Burschen vom Teufel befreie, eine tüchtige Tracht Prügel ist ihm wol zu gönnen, wenn er der Kaufmannstochter den Hof gemacht hat.

Wie nun der Sattler dreimal mit dem Schneider um den Kirchhof herumgelaufen war und der beinahe fürchtete, der Teufel hätte das Abwerfen vergessen und würde nun ohne weiteres mit ihm zur Hölle fahren, da warf der Sattler den Schneider doch noch ab, der Goldschmied gab ihnen Beiden in diesem Augenblicke noch einen Peitschenhieb und dann liefen der Sattler und der Goldschmied nach entgegengesetzten Seiten hin davon. Der Schneider blieb noch

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_196.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)