Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 211.jpg

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In dem Mauseloche brüstete sich der kleine Vogel noch und rief immerfort: „Ower de Heuhnerwieke! Ower de Heuhnerwieke![1]“ Die Eule aber war ein schlechter Wächter und nickte mit ihrem dicken Kopfe ein. Das benutzte der Zaunkönig sogleich, schlüpfte aus seinem Loche hervor und fuhr in einen Zaun. Seitdem hat er den Spottnamen Zaunkönig erhalten. Nach einem recht frischen Regen, da geh einmal so an einer nassen grünen Hecke vorbei, und wenn das Wasser dann in den Schleedornen tropft, dann kannst du den kleinen Vogel sich noch immer berühmen hören: „Ower de Heuhnerwieke! Ower de Heuhnerwieke!“ Die Eule aber darf sich seit der Zeit vor den Vögeln nicht mehr sehen lassen, und fliegt nur des Nachts auf. Dann fliegt sie vor die Häuser, wo ein Mensch sterben will; da setzt sie sich aufs Dach oder gegenüber und ruft: „Klewit, klewit!“ Oder sie sagt: „Geh mit, geh mit!“ Wenn sie das lange genug gerufen hat, und es ist ein schöner Büchenwald in der Nähe, so verschwindet sie in den Büchen; sonst versteckt sie sich auf dem Kirchthurme. Die Hühnerwieke aber ist ein Dieb und stiehlt sich manchen Braten von der Weide. Hast du nicht auch schon mitgerufen: „Wie-, Wie-Wittche!“ wenn sie hinter dem Dorfe über den jungen Gänsen schwebte? Dann schlägt ihr das böse Gewissen wegen des Diebstahls, den sie im Sinne hat, und sie hebt sich hoch in die Luft auf wie damals, wo der Zaunkönig von ihrem Schwanze aufflog, und fliegt davon.


  1. Noch über die Hühnerweihe.
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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_211.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)