Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 215.jpg

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dann gehen sie fort. So machen sie es noch in zwei Kaufmannsläden. Beim letzten will der König Alles nehmen, da gibt ihm der Soldat eine Ohrfeige. Nachher sagt der Soldat: „Bruder, wir wollen erst einmal in des Königs Schatzkammer gehen.“ Wie nun die Beiden bei dem Schlosse ankommen, so schnarchen die Soldaten auf ihren Posten alle wie die Bären, die Thüren aber springen wieder von selbst auf und sie gehen hinein. Da weist der Soldat dem König alle die Vorrathsgelder. Der König aber ist begehrlich und will gleich zufassen. So holt der Soldat mit der Hand aus, gibt dem König wieder eine Ohrfeige und sagt: „Das ist das Geld, davon der König das Militär erhalten muß. Von jenem Haufen dort aber wollen wir etwas nehmen, das ist der Haufen, davon er seinen Hofstaat erhält.“ Von der Ohrfeige hat dem König ordentlich der Kopf gebrummt, deshalb wird er verdrießlich und marschirt ab. Am andern Tage aber läßt er den Soldaten auf sein Schloß kommen und sagt in seiner Königskleidung: „Höre einmal, Bruder, ich habe gehört, du könntest mehr als Brot essen; was hast du erst diese Nacht wieder für Streiche gemacht?“ „Ja“, sagt der Soldat, „ich kann freilich mehr als Brot essen; wenn ich was dazu habe, kann ich auch Butterfutter essen. Aber diese Nacht habe ich ruhig auf meinem Strohsacke gelegen und geschlafen.“ Da geht der König hin und zieht die Bettlerkleidung an, und kommt in dieser zurück. Da sieht der Soldat, daß es sein König gewesen ist, dem er die Ohrfeigen gegeben hat, fällt dem Bettler zu Füßen und bittet vielmals um Verzeihung, die er auch erhält. Nun will er seinen Dienst aufdanken, der König aber nimmt ihm nur die Springwurzel und das Geld ab, das er damit gewonnen hat, will ihn anfangs nicht ziehen lassen und bietet ihm jeden Tag einen Thaler Sold, wenn er bliebe. Allein der Soldat nimmt es nicht an, sondern verläßt sogleich die Stadt.

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_215.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)