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stand nicht von seinem Sitze auf und hielt den Jäger bei der Flasche fest, bis es Dreiviertel auf zehn Uhr war. Da gingen sie miteinander ein paar Schritte vors Thor hinaus und der Bauernsohn blies in sein Horn. Darauf kam das ganze Wild an, Hirsche, Rehe und Hasen und das Gevögel in der Luft. Der Jäger und der Bauernsohn konnten Beide nicht alles Wild schießen, das vorhanden war; sie tödteten aber so viel als für die Küche des Königs von Nöthen war, und das Uebrige ließen sie entspringen.

Als der König dieses Stücklein vom Bauernsohn vernahm, war er nicht damit zufrieden, daß er nur Jägerbursche bei seinem Hofjäger wurde, sondern er setzte ihn über den Hofjäger und nahm ihn zu seinem Jägermeister. Der Bauernsohn aber lebte bei Hofe so flott, als kein anderer Höfling leben konnte, denn er brauchte ja nur in seine wildlederne Hose zu greifen, um ein Goldstück daraus hervorzuziehen. Das gefiel dem Könige, und weil die Königstochter ein Auge auf den Jägermeister geworfen hatte, so versprach er sie ihm zur Frau. Als das bekannt wurde, kam aber zuerst die Kaufmannstochter, bei deren Vater der Bauernsohn als Lehrling gewesen war, mit einem kleinen Kinde auf dem Arm, zu dem Könige und sprach: „Dies ist das Kind des Jägermeisters, er ist mein Verlobter und darf die Prinzessin nicht heirathen.“

Der König rief den Jägermeister herbei, der aber hieß die Kaufmannstochter sich niederlegen, berührte sie mit seinem Stabe und sprach dabei: „Jungfer, wer ist bei dir gewesen?“ Da mußte sie der Wahrheit gemäß antworten: „Meines Vaters Ladendiener“, und da wurde sie mit Schimpf und Schande vom Königshofe heimgeschickt.

Darauf kam auch noch die Tochter des Müllers mit einem Kinde auf dem Arm und sprach zum Könige: „Dies ist das Kind des Jägermeisters, er hat mir die Ehe versprochen

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_238.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)