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sah er einst das Töchterlein des Königs, bei dem er Sklavendienste thun mußte, mit einem alten Sklaven über den Hof ziehn und wie sie lachend und scherzend viel irdenes Geschirr mit sich trugen und vor dem Schlosse zerschmissen. In der nächsten Nacht kamen die beiden wieder, trugen lachend viel silbernes Geschirr und warfen es in den Fluß, und in der dritten Nacht trugen sie viel goldenes Geschirr daher, das sie abermal lachend in den Fluß warfen. So ging es abwechselnd jede Nacht und bald war der ganze Königspalast leer von Geschirr und war schon Alles mehrmals von Neuem angeschafft, zuletzt aber vermochte der König das Geld für das neue Geschirr nicht mehr aufzubringen und rief aus: „Weh mir, ich werde ein Bettler und werde zuletzt nicht einmal mehr irdenes Geschirr haben, davon zu speisen, wenn der Dieb, der das Geschirr nimmt (denn er meinte, daß es ein Dieb sei) nicht entdeckt wird.“

Das jammerte den Jüngling, und er ging zu dem König und sprach: „O Herr, nicht ein Dieb raubt Euch all Euer Geschirr, sondern Euer alter Diener ist so kindisch worden, daß er Euer Töchterlein also verleitet und zur Nachtzeit mit ihr das irdene Geschirr lachend zerschmeißt und das silberne und goldene in den Fluß wirft.“

Da war der König hocherfreut, daß er das wußte, verwies seinem Töchterlein was es gethan hatte und trug Sorge, daß sein alter Sklave ihm keinen Schaden mehr zufügen konnte. Aus Dankbarkeit aber entließ er den Jüngling, der ihm solches verkündet hatte, und schenkte ihm so viel, daß er zu Schiffe über’s Meer wieder nach seinem Vaterlande zufahren konnte.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)