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zuerst muß ich hier meinen Acker fertig bestellen, so lange mag der Richter warten.“

Der Mann legte sich unter die Eiche und überließ dem Bauer seine Sache, sah aber mit großer Unruhe, daß der sich gar nicht eilte. Schon war es zwölf Uhr vorbei, als er zum Richter ging und dieser wollte eben zu Tische gehn, da er anlangte, deshalb fuhr er ihn hart an und fragte, weshalb er nicht früher gekommen wäre. „Ei,“ sagte der Bauer, „ich bin ein Bauersmann wie Ihr seht, und einem Bauer wird das Leben jetzt sauer gemacht. Ich mußte heut’ Erbsen säen, stand gar früh auf und gedachte zu rechter Zeit mit dem Säen fertig zu sein, so daß ich um zehn Uhr vor Gericht erscheinen könnte. Aber jetzt ist Alles so weitläufig und die Erbsen wollten vor dem Säen erst gekocht sein.“

„Gekocht,“ fragte der Richter, „und dann noch gesät? Wie soll ich das verstehen?“

„Ja,“ sagte der Bauer, „das ist jetzt die neuste Mode, seit die Wirthinnen sich von gesottenen Eiern einen ganzen Hühnerhof bezahlen lassen. Früher freilich’ gab nur ein rohes Ei ein junges Huhn und damals brauchte man auch die Erbsen nicht zu kochen, wenn man sie säen wollte. Aber Alles schreitet jetzt fort und macht große Ansprüche, darum wollen die Erbsen nicht aufgehen, wenn sie nicht erst gekocht sind.“

Da lachte der Richter, bestimmte, daß nur wenige Pfennige für die gesottenen Eier bezahlt werden sollten und ging zu Tische.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/214&oldid=- (Version vom 1.8.2018)