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62. Josef, wandere aus!

Eine Wittwe hatte einen einzigen Sohn, dessen Vater schon zehn Jahre todt war, da kam ein Freier und heirathete sie. Der Stiefvater war ein rauher Mann, deshalb behandelte er seinen Stiefsohn gar übel, und bald galt auch das Sprichwort: Wo ein Stiefvater ist, da wird auch eine Stiefmutter. Denn als ihr noch ein Sohn geboren wurde, wandte sich ihr Herz ganz zu ihrem Neugebornen und wurde hart und kalt gegen den älteren Sohn. Der aber ging jeden Morgen hinaus auf einen grünen Platz und sprach Gott um Hülfe an. Als er sich auch eines Morgens so verlassen fühlte, betete er dort: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen, doch nicht wie ich will, sondern wie Du, mein Vater.“ Im selben Augenblick ertönte eine Stimme, die rief: „Josef, wandere aus!“ Da ging der Knabe zu seiner Mutter und bat sie um einen Reisepfennig, den weigerte sie ihm und mit einem Bissen Brod, den ihm gute Leute gaben, ging er in die Fremde.

Er war noch nicht weit gegangen, da stand ein Hund da und bellte vor Hunger immer fort. Dem gab der Knabe das Brod und nun lief der Hund immer mit ihm und wich und wankte nicht von seiner Seite. Einst zogen sie an einer Räuberhöhle vorbei, da stürzten zwölf Räuber heraus, meinten, der arme Knabe trüge Reisegeld bei sich und wollten ihn berauben. Aber der Hund zerriß alle zwölf Räuber und darauf drangen sie in die Höhle ein, fanden auch darin eine Glocke, vieles Gold und Silber, Altardecken mit kostbaren Tressen und andere werthvolle Dinge, welche die Räuber in der vergangenen

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)