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8. Von der Stadt Sedelfia und dem Vogel Fabian.

Ein Mann von geringem Stande hatte bereits sechs Kinder, und als seine Frau das siebente zur Welt brachte, mußte er eine Reise antreten und befahl ihr, den ersten Besten zu Gevatter zu bitten. Nach einiger Zeit kam ein Bettler des Weges, den rief sie an und bat ihn zu Gevatter. Der Bettler aber sagte: „Soll ich Gevatter stehen, so muß der König auch mit Gevatter stehen, denn ich habe ja gar nichts einzubinden und unbeschenkt darf das Kindlein nicht bleiben.“ Damit eilte er zum König und erhielt von ihm das Versprechen, daß er mit Gevatter stehen wolle.

Als am andern Tage nach der Taufe der Bettler mit dem König und dem Knaben aus der Kirche kam und sah, wie viel der König seinem Pathen zum Pathengeschenk eingebunden hatte, trat er an die Wiege und sagte: „Mein Kind, ich habe Dir nichts einbinden können, aber ich wünsche Dir, daß Du König wirst.“

Das fiel dem König schwer auf’s Herz, denn er meinte, wenn der Knabe König würde, so möchte er ihn und sein Geschlecht vom Throne stoßen. Darum bat er die Frau um den schönen Knaben und versprach, für ihn zu sorgen; er meinte es aber nicht so, sondern ließ eine große Schachtel machen, steckte den Knaben hinein und warf sie in’s Wasser. Ein alter Müller, Namens Heinrich, fing die Schachtel am Wasser auf und warf sie abermals hinein, aber sie schwamm ihm zum zweitenmale vor’s Gefäll. Aergerlich fing er sie zum zweitenmale auf und öffnete sie. Da fand er einen lieblichen Knaben

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)