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Da lief der bunte Bauer mit der Peitsche hinter seiner Kuh her und karbatschte sie, schob sie aber dabei auf Rollen mitten hinter der Heerde immer vor sich her, daß der Hirt sich verwunderte, wie munter die Kuh des armen Bauern war. Weil er aber sah, daß sie auf der Weide immerfort an einer schönen blumigen Stelle stand, so fürchtete er nicht, daß sie ihm davonlaufen möchte und kümmerte sich nicht mehr um sie, vergaß sie auch als er mit seiner Heerde heimtrieb und ließ sie an der blumigen Stelle stehen.

Aber im Walde, der neben der Weide war, lagen die Söhne des bunten Bauern schon auf der Lauer, und wie der Hirt mit seiner Heerde fort war, schoben sie die hölzerne Kuh in den Wald und versteckten sie. Als nun der Hirt in’s Dorf kam, stand auch der bunte Bauer schon da und fragte, wo seine Kuh wäre. „Wo wird sie sein,“ antwortete der Hirt, „als auf der Weide, die Kräuter und Blumen haben ihr ja gar zu wohl behagt.“ Da gingen sie gleich mit einander hin, als aber die hölzerne Kuh von der Weide verschwunden war, mußte der Hirt dem bunten Bauer eine lebendige Kuh dafür geben.

So lebte nun der bunte Bauer mit seinen acht Söhnen und lagen des Nachts mit einander im Moos und bekam jeder auf den neunten Tag die Milch von der Kuh, das war ihre ganze Nahrung. Der jüngste Sohn des Bauern aber fror immer gar sehr, darum hießen die andern ihn sich in die Mitte legen, und weil ihn immer gar sehr hungerte und weil er dabei auch noch etwas eigensinnig war, so trat ihm der älteste Bruder jeden neunten Tag seine Milch ab und hungerte

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)