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neuesten blutigen Krieg mit den Sachsen veranlaßt hatte, so hatte König Karl das Kloster Corvei an der Weser zwar wieder hergestellt, wollte aber nicht dulden, daß sein Vetter und sein bester Jugendfreund dahin zurückkehrte und vielleicht der Rache des Sachsenvolkes ausgesetzt würde.

Nun waren zu jener Zeit zwei Bischöfe von Lüttich rasch nacheinander gestorben. Der Abt sollte daher gleich am anderen Tage dahinreisen, um ihr Nachfolger zu werden.

Mit starker Bedeckung sollte er sich dahin begeben und Wittekind nebst den anderen sächsischen Gefangenen mit sich nehmen.

Sobald als möglich sollte der Bischof sie alle taufen, nötigenfalls dabei auch Gewalt anwenden. Dafür wollte der König sich dem Bischofe dann stets dankbar erweisen, ganz besonders aber, wenn es ihm gelänge, bei Wittekind noch eine Sinnesänderung und eine Abkehr vom Heidentume zu bewirken.

Der Abt schloß mit einer väterlichen Ermahnung an Eginhard, dessen Vertraulichkeit mit Emma nicht unbemerkt geblieben war. Eginhard gestand ihm nicht nur seine Liebe, sondern überzeugte ihn auch, daß König Karl den Untergang seiner Tochter herbeiführen würde, wenn er die beiden Liebenden trennen wolle.

Da faßte der Abt als Verwandter des königlichen Hauses einen ungeheuren Entschluß. Um die beiden Liebenden vor der Sünde zu bewahren, versprach er, sie am andern Morgen vor der Abreise heimlich durch die Trauung mit einander zu verbinden.

Er stellte dabei jedoch die Bedingung, daß ihre Ehe vor jedermann geheim gehalten werden müsse, bis er zum ersten Male von Lüttich aus bei König Karl zum Besuch komme. Alsdann wollte er selbst seinem Vetter Alles offenbaren. Er hoffte dann Wittekind wirklich zum Christentume bekehrt zu haben. In diesem Falle durfte er sich allerdings einen so mächtigen Einfluß auf den König zutrauen, daß er für sich selbst, wie für Eginhard und Emma, dessen Verzeihung hoffen konnte.

Nachdem die Trauung heimlich vollzogen war, reiste der Abt mit starker Bedeckung und den sächsischen Fürsten nach Lüttich ab.

Der Spätherbst kam heran und der siegreiche Karl kehrte nach Ingelheim

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)