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Heinrich Pröhle: Der Name Ingelheim. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage

herunter, gab Karolo seinen Hengst am Zaume zu halten, schlüpfte wieder in die Burg und holte die vergessenen Silbergülden, die der Graf Eggerich von Eggermonde hinter dem Ofen versteckt hatte. Er wollte Karolo die Hälfte der Beute abgeben. Dieser aber sprach: „Nein, Elbegast, behalte Du alles für Dich. Kaiser Karolus giebt mir nun die Hälfte aller seiner Kleinodien, wenn ich ihn warne, weil der Graf Eggerich von Eggermonde ihn heute mit den elf Rittern ermorden will.“ – „Ich vertraue Dir, Du wirst Karolus erretten“, sagte der Räuber und sprengte auf seinem Hengste seitwärts in die Büsche.

Als Karolus heimkehrte, sandte er sogleich wieder die Häscher aus nach Elbegast. Diesmal bezeichnete er selbst die Gegend im Walde, wo sie ihn finden würden, nämlich die Stelle, wo er ihn hatte in die Büsche sprengen sehen. Dann ließ er sich ein Tuch um die Brausche binden, die er bekommen hatte, als er sich an Eggermondes Bett stieß. So spazierte er um zwölf Uhr mit verbundenem Kopfe auf dem Königshofe umher. So wie die zwölf Mörder sich ihm nähern wollten, brachen seine Knechte auf seinen Wink aus den Marställen hervor und banden den Grafen und die elf Ritter. Der Kaiser befahl, daß sie alle zwölf nach dem Rhein gebracht und darin ertränkt werden sollten. Als sie gebunden vom Königshofe geführt wurden, begegneten sie dem Räuber Elbegast. Der wurde eben auch gebunden von den Häschern dahergebracht und freute sich sehr, als er sah, daß der Mordanschlag auf Karolus mißglückt war. Als er vor den Kaiser geführt wurde, verwunderte er sich sehr, weil er den Mann erkannte, mit welchem er unter dem Bett des Grafen gesteckt hatte. Da lachte Karolus aus vollem Halse und ließ sich von ihm das Versprechen geben, daß er nie wieder stehlen wolle. – Dann ließ er ihn seiner Bande entledigen; er schenkte ihm das Leben und die Freiheit und alle Schätze, die sich noch in dem Raubschlosse bei der Gräfin Eggermonde finden würden.

Dem Orte am Rheine, da dem Kaiser sein Schutzengel und Lebensretter im Traume erschienen war, gab Karolus Magnus den Namen Ingelheim, das bedeutet Engelheim.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Der Name Ingelheim. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage. Meidinger , Berlin [ca. 1892], Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten_2.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)