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Feuilleton.




Mein erster Erfolg.


Aus dem Kleinrussischen von Oljona Ptscholka.
Uebersetzt von Wladimir Czumikow.


Das war also vor drei Jahren, so begann er, als ich eben meine Universitätsstudien beendet hatte…. Ich hatte mein Juristenexamen gut gemacht, mein Diplom in der Tasche, aber natürlich noch keine Anstellung. Obschon sich eine solche bisher nicht einmal in der weitesten Perspektive zeigte, so brodelte in mir dennoch schon ein gewisser Bethätigungstrieb… . Wissen Sie, eben von der Universitätsbank, den Kopf voll von allen möglichen „Rechten“, vom „römischen“ bis zum „Völkerrecht“: gleich im Augenblick wäre ich bereit gewesen zu schaffen, zu untersuchen, zu richten, den allerverwickeltsten juristischen Knäuel zu entwirren!… Da sich aber für diesen Thätigkeitsdrang fürs Erste, Gottlob, noch kein geeignetes Feld bot, so lebte ich einfach zu Hause beim Vater, „im Schoße der Natur“. Ich ruhte vom Examen aus, spazierte viel, ging auf die Jagd, besuchte unsere Nachbarn auf dem Lande. Um mich herum, im Hause meines Vaters, des Pfarrers, und überhaupt in unserem Dorfe herrschte eine weihevolle Ruhe. Und in Erwartung des Kommenden gab ich mich dieser Ruhe vollkommen hin.

Diese Stille wurde aber plötzlich durch ein Ereigniß unterbrochen, welches uns alle in Aufruhr brachte! In unserem Dorfe wurde ein Verbrechen verübt: an einem schönen Morgen verbreitete sich die Nachricht, daß unser Grundherr auf dem Herrschaftsgut, am Ende des Dorfes, ermordet worden sei. Wie? Durch wen? Auf welche Weise? – Diese Fragen bildeten den Gesprächsstoff aller Dorfbewohner, besonders aber der örtlichen Honoratioren.

Aufrichtig gesagt, that der Grundherr eigentlich Niemandem leid, da er sich zu Lebzeiten der Zuneigung Niemands – weder der einfachen Leute, noch der „höheren“ – erfreut hatte. Er war ein alter Misanthrop, so recht ein Leibeigenschaftsschwärmer, ein harter Mann. Man erzählte sogar, daß er seine eigenen Kinder in die Welt hinausgetrieben habe – es war mit ihm kein Auskommen, seine Frau aber soll er durch seine Rauheit und Härte etwas früher, als die Natur es anfangs bestimmt hatte, ins Jenseits befördert haben… . Gott weiß, ob diese Gerüchte auf Wahrheit beruhten, aber man liebte nun einmal den Alten nicht.

Jedenfalls aber verursachte sein Tod in der ganzen Umgegend großes Aufsehen. Es war, wie man es auch nehmen sollte, ein fürchterliches Verbrechen

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Olena Ptschilka: Mein erster Erfolg. Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Stuttgart 1898, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PtschilkaMeinErsterErfolg.pdf/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)