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geschehen, ein Mensch in seinem eigenen Hause ermordet worden! Ein ungewöhnliches, ergreifendes Ereigniß.

Mich, als Juristen, und dazu noch einen neugebackenen, beschäftigte dieser Vorfall ganz besonders. Vor Allem aber zog mich das Räthselhafte dieses Verbrechens an: es waren gar keine Spuren und Anhaltspunkte dafür vorhanden, wer es verübt haben könnte! Der Grundherr war todt und ermordet – das war unzweifelhaft: die Gurgel war ihm augenscheinlich von fremder Hand durchschnitten worden, um ihn herum Blutlachen, Spuren eines Kampfes. Wer aber der Mörder war und wie überhaupt alles das geschehen war, das blieb ein Räthsel! Der Grundherr war zwar ziemlich reich, zeichnete sich aber durch Geiz aus, führte ein einsames Leben und hielt wenig Bedienung. In der verhängnißvollen Nacht hatte Niemand etwas gehört oder gesehen. Selbst das „Motiv“ des Verbrechens blieb räthselhaft: es war bei dem Morde nichts geraubt worden, obgleich im Besitz des Grundherrn Geld und manche Werthgegenstände waren, wie sie in jedem mehr oder minder wohlhabenden Hause zu finden sind. Alles blieb unangetastet, nirgends die Spuren eines Raubes. Wozu also und wem war der Tod des Hausherrn nöthig? Das war die Frage, die Alle beschäftigte und über welcher sich der zu diesem Zwecke kommandirte Untersuchungsrichter und – ich vergeblich den Kopf zerbrachen.

Ja, auch ich zerbrach mir darüber den Kopf und spielte mich als eine Art von Adjunkt des Untersuchungsrichters auf: ich war bei den Beweisaufnahmen zugegen, studirte mit ihm zusammen die Zeugenaussagen, half ihm sogar bei seinen Schreibereien.

Die Wahrheit gesagt, verhielt sich der Untersuchungsrichter meinem Eifer und meiner Bereitwilligkeit gegenüber ziemlich gleichgiltig. Manchmal hörte er meine Reden schon gar zu nachlässig und zuweilen mit einem verächtlichen Lächeln an. Endlich wurde sein Verhalten meiner aufdringlichen Einmischung in sein Untersuchungsgeschäft gegenüber unverkennbar ablehnend.

Das reizte mich noch mehr, denn es verletzte gewissermaßen meine Eigenliebe. Ja, dachte ich, bin ich denn nicht ebenso ein Jurist wie er? Er hat meinetwegen ein Amt, in dem er schon mehrere Jahre arbeitet – was ist denn dabei? Ich könnte ebenso gut an seiner Stelle sein, denn ich genieße dieselben Rechte, habe dieselben Kenntnisse, dieselbe Begabung – alles, was man zu dieser Art Arbeit braucht! Ich habe Gottlob nicht vergebens so und so viele Jahre „Rechte“ studirt – auch ich kann also in dieser Sache, deren ganze Wichtigkeit ich wohl verstehe, von Nutzen sein.

Kurz und gut, die Sache ärgerte mich, ließ mir keine Ruhe, regte mich auf.

Fand sich ein neuer Nagelstrich auf dem Fensterbrett im Hause des Grundherrn oder ein neuer Blutfleck in dem verdammten geheimnißvollen Kabinet, in dem er ermordet worden war – gleich gerieth ich in Aufregung! Ich dachte und grübelte: wieso? … woher? … was für eine „Kombination“ könnte man daran knüpfen?

Unterdeß ging das Leben um mich her seinen gewohnten Gang, in unserem Hause gab man sich den täglichen Beschäftigungen hin und ich selbst war schließlich auch nicht mehr so ganz vom geheimnißvollen Prozeß allein in Anspruch genommen, sondern machte mir etwas im Hause zu schaffen oder ergab mich den ländlichen Vergnügungen.

Eines Tages war ich auf die Jagd gegangen. Vergnügt strich ich im Walde herum. Ringsum blühte der Frühling in schönster Pracht. Das Gras unter den Füßen war so weich, die Vögel zwitscherten im grünen Laube so frisch

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Olena Ptschilka: Mein erster Erfolg. Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Stuttgart 1898, Seite 606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PtschilkaMeinErsterErfolg.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)