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Vorbericht.

Wären Duette für zwey Instrumente geschickter einen großen Musiksaal auszufüllen, als sie es wirklich sind; und könnten sie in einer zahlreichen musikalischen Versammlung eine bessere Parade machen als diese, daß sie etwan nur eine vollständige Harmonie mit einer schwachen abwechseln: so würden vielleicht mehrere Componisten Lust haben, dergleichen, und wäre es auch nur zu ihrer Uebung im doppelten Contrapuncte, zu setzen, und mehrere Liebhaber der Musik, solche vermeynte kleine Pedantereyen zu spielen. Und doch haben die Duette gewisse, ihnen eigene Vorzüge, und ihren besondern Nutzen. Es können sich nicht allein zweene Liebhaber, wenn sie keine zahlreiche Begleitung bey der Hand haben, damit auf eine angenehme Art unterhalten, weil sie beyde, auf diese Art, eine in ihrer Art vollkommene Musik besetzen können: sondern es können auch Anfänger in der Musik aus fleißiger Uebung in wohlgesetzten Duetten einen großen Nutzen ziehen.

Man wird dadurch erstlich in der richtigen und genauen Beobachtung der Geltung der Noten, und des Tacts überhaupt sicher, indem man immer eine concertirende Nebenstimme höret, die mehrentheils eine Gegenbewegung führet. Man bekömmmt ferner dadurch nach und nach einen Geschmack an den Wirkungen der Harmonie, und an Sätzen die gegen einander binden, und sich einander nachahmen: und dieses um so viel mehr, weil man immer die Harmonie die zum Duett nöthig ist, ganz zusammen höret. Man bereitet sich endlich dadurch vor, eine jede Stimme, welche nicht mit andern immer in einerley Bewegung geht, sondern für sich allein, gegen eine verschiedene Bewegung anderer Stimmen, Stand halten muß, mit Sicherheit und Genauigkeit vorzutragen; und wird folglich hernach, bey Ausführung doppelter und mehrfacher Concerte, desto weniger Schwierigkeit finden.

Alle diese nothwendigen Vortheile können weder durch eine bloße Uebung in kleinen Stücken, wo nur eine einzige herrschende Melodie ist, noch auch in Concerten und Solos erhalten werden.

Die kleinen Galanteriestückchen schmeicheln zwar dem Gehör eines Liebhabers im Anfange mehr: aber wie bald wird man ihrer, wegen allzugroßer Leichtigkeit und Einförmigkeit nicht überdrüßig? Die Concerte und Solos sind mehrentheils mit schweren und langen Passagien angefüllet, welche auszuführen ein Anfänger noch nicht fähig ist. Ueber dieses werden beyde, wenn man sie studiret nur einstimmig gespielt, und das Gehör folglich an keine Harmonie gewöhnet; woran doch einer, der ein Musikus seyn oder werden will, nicht früh genug sich gewöhnen kann. Man setzet sich, wenn man sich allzuzeitig über Concerte und Solos hermacht, in Gefahr, im Tacte unsicher, und im Vortrage ungleich und höckerig zu werden. Man kann sich leicht entweder an das Eilen oder an das Nachschleppen gewöhnen; man wird des richtigen Vortrags der Bindungen nicht so bald inne: und das alles deswegen, weil man keine Gegenbewegung in einer andern Stimme, oder wenn auch ja der Meister eine andere Stimme mit spielet, doch bey dem Concerte nicht die ganze Harmonie, und bey dem Solo oft nicht Bewegung genug höret, um dadurch fest im Tacte erhalten zu werden. Und wenn man ja endlich ein Concert mit Angst und Noth auswendig gelernet hat; so wird man doch hernach, wenn man es mit der völligen Begleitung spielen will, sich gleichsam in ein ander Land versetzet zu seyn dünken.

Alle diese Unbequemlichkeiten fallen aber weg, wenn man sich eine Zeitlang in Duetten geübet hat. Alsdenn kann man, mit viel leichterer Mühe, auf die dadurch gelegten Gründe eines guten und richtigen Vortrages, noch das übrige was an Geschwindigkeit, an willkührlichen Auszierungen, und dergleichen, nöthig seyn möchte, bey Uebung der Concerte und Solos, bauen.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Joachim Quantz: Vorbericht zu den Duetten op.2. , Berlin 1759, Seite I. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Quantz_Vorbericht_1759_Seite_1.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)