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des Alten anblickte. – Nach langen Bitten meinerseits entschloss sich der Priester endlich, mir die Ursache seiner Betrübnis mitzuteilen.

„Zwanzig Mal war der Schnee bereits für mich geschmolzen, zwanzig Mal hatte der Frühling die Wüste von Sab[1] mit frischem Grün geschmückt, als ich, meinem geistigen Durste folgend, zum weisesten aller Weisen, zu Ibn-Ferhat in den Dienst trat. Man nannte ihn den „Quell alles Wissens“. Wie Honig und Milch entströmte dem Munde des göttlichen Mannes das heilige Wort; es war ihm der verborgendste Sinn der heiligen Schrift unverborgen geblieben und er verstand die tiefsten Geheimnisse, die im Innern der Menschenseele geschrieben stehen, zu lesen.

Noch zarter aber als die Lilie von Schiras, noch schöner als die Rose von Rescht war die gute Gamar,[2] deren jungfräulicher Busen eben erst auf der unschuldigen Brust sich geformt hatte – das war die Tochter meines Meisters.

Das Haus meines Lehrers enthielt ein

  1. Den Namen Sab führt eine ausgedehnte Wüste, die zwischen den Städten Ghum und Kaschan liegt und bis in den Beludschistan hinein sich erstreckt.
  2. Gamar heisst der Mond – ein sehr beliebter Frauenname bei den Sonnenanbetern.
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Raffi: Bilder aus Persien und Türkisch-Armenien. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RaffiBilderAusPersienUndT%C3%BCrkischArmenien.pdf/14&oldid=- (Version vom 24.7.2016)