Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/247

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die nicht zu mir redet; ja, das bloße Licht, das dich umscheint, und aus fernen Fenstern mir entgegen strahlt! Warum ist die Welt für mich in zwey Theile getheilt, deren einer ausgefüllt ist mit deiner Gegenwart, der andere sich in ewiger Leere vor meinen Blicken verliert? Warum fährt mitten im Bewußtseyn, daß ich bey dir bin, dennoch meine Hand konvulsivisch auf, den Saum deines Gewandes zu zupfen? Warum ermüde ich nie, voll von der Ueberzeugung, von dir geliebt zu seyn, die stete Versicherung deiner Liebe zu hören? Warum befriedigt die engste Vereinigung, die sich zwischen Körpern und Seelen denken läßt, nie die unaufhörliche, grenzenlose Sehnsucht nach immer engerer Vereinigung?

Ach! derjenige, der leidenschaftlich liebt, hat eine unbestimmte Unruhe, eine dunkle Ahndung von tausend nie zu befriedigenden Wünschen, die sich alle in das zwecklose Streben nach steter Vereinigung und nach steter Einwirkung auf den geliebten Gegenstand auflösen. Er fühlt vielleicht, er geht dabey zu Grunde; er fühlt zuweilen, seine edelsten Kräfte, seine rühmlichsten Bestrebungen schwinden dahin; der schönste Genuß der Freundschaft und ruhiger Zärtlichkeit, die lockendsten Plane auf Ruhm, Vermögen und häusliches Glück, gehen verloren. Und das alles opfert er auf für die Vorstellung: Eins zu werden; für ein Hirngespinnst, das der Liebende selbst dafür erkennt, das er sogar mit Hülfe der Phantasie nicht einmahl als ein klares Bild fassen kann. An diese Chimäre ist er angezaubert, in diesen Kreis von Begünstigungen, die allemahl wieder zu neuen Reitzen werden, ist er gebannt. So muß er zugleich was er will! Nicht äußere Verhältnisse zwingen ihn,