Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/296

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vorher unterjocht, sie muß uns oft abgezwungen werden. So schätzt der Schüler Leibnitzens einen Kant, der Oestreicher einen Friederich, der eifrige Catholik einen Luther, ein Hofcavalier einen arbeitsamen Bauern, u. s. w.

Wenn wir aber auch die Schätzung mit Wonne empfinden, so kann diese Wonne zuweilen ganz eigennützig seyn, indem wir nehmlich die Folgen derselben ganz besonders auf unsere Person beziehen, und unsern gröberen oder feineren Eigennutz dadurch geschmeichelt fühlen. Die Bewohner eines Landes, welche den geschätzten Mann unter sich besitzen, seine Thätigkeit und seinen Ruf zur Erleichterung ihrer Bedürfnisse, oder zur Begünstigung ihrer Lieblingsneigungen zunächst in ihren wohlthätigen Folgen empfinden, werden gemeiniglich in dieser Lage seyn. Solche eigennützige Wonne empfindet der Preuße bey der Schätzung, die er seinem Friedrich, der Amerikaner bey derjenigen, welche er seinem Franklin zollt. Die ersten Schüler der Stifter von Religions- und wissenschaftlichen Sekten hegen eine gleich eigennützige Schätzung für den Lehrer, mit dem sie sich durch ein engeres Band von der übrigen Menge zugleich auszeichnen.

Eben so kann die Schätzung eine bloße Beschauungswonne enthalten, indem wir uns von dem Menschen, der seinen innern Anlagen und seiner äußern Wirksamkeit nach allgemein nutzbar und nützlich erscheint, isolieren, und ihn aus der Ferne, ohne alle deutliche Beziehung auf uns, bewundern. So schauet der Deist den Werth eines Luthers, der heutige Deutsche den eines Cäsars, der Geschäftsmann den eines Methaphysikers an. Was sind sie ihnen? Nichts, als sehr vollständig, sehr