Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/326

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ein und zwanzigstes Kapitel.
Genuß der Vereinigung zu einem Schicksale.

Liebende haben nur Ein Schicksal mit einander, und dieß Bewußtseyn macht einen neuen hohen Genuß für sie aus. Himmel! welch ein tröstender, welch ein hebender Gedanke: es ist ein Herz in der Welt, das von meiner Freude lebt; ein Herz, dessen Theilnahme alle meine Leiden lindert!

Die Vereinigung zu einem Wesen unter gleichen Verhältnissen gegen alles, was außer der zusammengesetzten Person gedacht wird; zu einem Wesen, auf welches nur eine und die nehmliche Beziehung alles Aeußeren Statt findet; das Bewußtseyn, daß es für zwey Individuen nur ein Eigenthum, einen Wohlstand, eine Ehre, ein Glück, ein Unglück giebt: kurz, das Zusammenschmelzen zu einer Reitzbarkeit, zu einem Herzen, ist eines der erhabensten Gefühle, deren der Mensch fähig ist. Der Arme! Es ist nicht genug, daß er, für sich abhängig von Bedürfnissen, das Spiel eines eigensinnigen Schicksals sey; er ladet noch die Bedürfnisse und die Leiden eines andern Wesens auf sich! Aber wird er wirklich ärmer? Nein! Er vermehrt sein Wohlseyn, indem er sich alle Freuden, alle Vortheile des andern aneignet; er vermehrt die Stärke, womit er dem Schicksale die Stirn biethet, indem die andere Hälfte seines Wesens einen Theil der Last auf sich nimmt, die ihn allein zu Boden drücken würde!

Aber was seinen Zustand wirklich verschlimmert, ist die Ueberzeugung, daß sein eigenes Leiden die Ruhe des vereinigten Wesens stört! Welcher Streit in der Seele des Liebenden in solchen Augenblicken! Er möchte den