Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/128

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fragt er sie, ob sie sich dabey bloß aufs Glück verlasse, oder eine sinnreiche Erfindung brauche, um sie zu fangen? Die harmlose Theodota antwortet: „Sie wisse nicht, was für eine Erfindung sie dazu brauchen solle; sie kenne keine Künste die weiter gingen, als Gefälligkeit in Handlungen; schöne Worte gebrauche sie dazu nicht.“ Sokrates räth ihr also, ihren Augen einen bezaubernden Ausdruck zu geben, und durch ihre Reden Herzen zu fangen. Er preiset ihr besonders die List an, anfangs geringe Dienste von ihren Liebhabern zu fordern, und ihre Gefälligkeit nach dem Verhältnisse jener Dienste einzurichten. Dadurch würde sie die Buhler immer fester verbinden, sie standhafter und freygebiger machen. Sie solle den Werth ihrer Gunstbezeugungen dadurch erhöhen, daß sie sich ihnen nicht in die Arme würfe, ehe sie ihre Begierden aufs höchste entflammt habe. Die unerfahrne Theodota fragt, wie sie sich dabey benehmen solle? Sokrates belehrt sie, sich dem Liebhaber nicht anzubiethen, wenn sie keine Neigung an ihm bemerke. Bemerke sie diese, so solle sie ihn durch ein freundliches Gespräch an ihre Person erinnern, und ihm zu erkennen geben, daß sie wohl geneigt sey, sich ihm zu ergeben: dann aber sich entfernen, bis sein Verlangen aufs höchste gestiegen sey.

Man muß gestehen, daß wenn dieß die so berufene Kunst zu gefallen der Griechischen Hetären war, daß dann die Freudenmädchen von ziemlich gewöhnlichem Schlage in unsern großen Städten, die nur nicht zur Classe der verworfensten Straßendirnen gehören, mehr davon wissen, als der gute Sokrates. Man sieht zugleich, was der Zweck des Umgangs mit diesen Hetären war, und daß Theodota dabey so einfältig zu Werke