Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/150

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mit der die Liebenden an einander hingen, und die sie zu allen Aufopferungen, welche der Staat und die Ruhmbegierde von ihnen forderten, geschickter machten. Dennoch mußten sich diese nicht ohne Kampf ihren Trieben überlassen. Schwäche blieb es allemahl, ihnen bis zu groben Ausbrüchen zu huldigen. Aber wenn sie endlich der Gewalt der Sinne wichen, so war die Gunst, die der Liebhaber nahm, ein verzeihlicher Gewinnst, den er bey seinen edeln Bemühungen um das Wohl des Lieblings davon trug; so war die Ergebung des letztern eine Belohnung, die in seiner Dankbarkeit für so viele wahre Wohlthaten, die er empfangen hatte, ihre Endschuldigung fand. [1]

Dieß scheint die Art gewesen zu seyn, wie die gute Sitte in Athen die Liebe zu den Lieblingen betrachtet hat. Den Beweis werden die folgenden Kapitel noch weiter liefern. Hier bemerke ich nur noch, wie durch diese Darstellung alle Widersprüche, und alle Zweifel gehoben werden, die bis jetzt diese Materie umgeben haben. Zuerst zeigt sich der deutliche Unterschied, der zwischen bloßer Freundschaft und jener Liebe eintrat. Mit Recht hat Cicero behauptet, daß diese Verbindung einen leidenschaftlichen Charakter und eine Einwirkung körperlicher Triebe mit sich führte,


  1. Aus mehreren Gründen, die aber anzuführen der Anstand verbietet, wird es mir mehr als wahrscheinlich, daß die Gunstbezeugungen die der Liebhaber von dem Geliebten erhielt, und das, was man Ergebung des letztern nannte, nichts mit der künstlichen und grausamen Befriedigung dieser Ausgelassenheit in einigen höchst verdorbnen Hauptstädten unserer Zeit gemein hatte.