Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/305

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aber zugleich aus seinen früheren Einrichtungen einen gewissen Geist von Zucht und Ordnung beybehält, und das Weib der Obhut des Gatten, der Eltern, und der Anverwandten unterwirft. Die Römerin mußte diese unter ihren Augen hintergehen, um dem Liebhaber ihre Gunst zu bezeugen. Sie fand aber in größeren Zusammenkünften, von denen sie nicht ausgeschlossen war, häufige Gelegenheit, diese Gunst auf eine Art zu erkennen zu geben, wodurch das Verständniß nur für diejenigen ein Geheimniß blieb, deren Rechte unmittelbar dadurch beleidigt wurden. Daraus entstand eine neue Genußart für die Eitelkeit, ein neuer Reitz für die gesellige Unterhaltung. Die Liebenden traten gleichsam wie versteckte Schauspieler vor der übrigen Gesellschaft auf, die an ihrem Schicksale Theil nahm. Man denkt sich leicht, wie sehr dieß das Interesse solcher Intriguen, sowohl für die Handelnden selbst, als für die Zuschauer, erhöhen mußte.

Obgleich die Römerin zu den Zeiten der Kaiser viel gesellige Freyheit genoß, so war doch der Umgang zwischen beyden Geschlechtern sehr verschieden von dem unsrigen. Daß ein Mann, der nicht als Gatte oder Anverwandter dazu berechtigt war, in dem Hause einer Dame hätte frey aus und eingehen, sie allein sehen, in kleineren Zirkeln bloßer Bekannten mit ihr hätte zusammen kommen dürfen, ohne den Anstand zu beleidigen; daß läßt sich nicht annehmen. Die Liebenden sahen sich an öffentlichen Orten, in häuslichen Zirkeln, unter den Augen der Hüter; und nur unter dem Schleyer des Geheimnisses allein. Dieß erhöhete den Reitz solcher Zusammenkünfte, und war sehr geschickt, dem Verständnisse einen leidenschaftlichen Charakter zu