Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/360

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rachsüchtig, unbekümmert um das Wohl ihrer Liebhaber, ist ihnen jedes Mittel gleichgültig das sie zu ihrem Zwecke führt. [1] Die Unterhaltungen die sie unter sich aufsuchen, zeugen von der niedrigsten Ausgelassenheit. [2] Verfeinerte Lüsternheit, kosendes Geschwätz, Gesang und Spiel sind diejenigen, mit denen die gebildeteren ihre Liebhaber belustigen. [3]

Dieß Bild trifft ziemlich mit dem Charakter der heutigen Buhlerinnen in den größeren Städten von Europa zusammen. Einige wenige zeichnen sich inzwischen beym Alciphron durch Uneigennützigkeit, wahre Liebe, Treue und höhere Talente aus.

Zu diesen gehört besonders die Geliebte des Menander, Glycera. Der Brief, den sie an ihren Liebhaber schreibt, [4] ist voll von den liebendsten Empfindungen, und verräth zu gleicher Zeit so viel wahre Weiblichkeit, daß er der Kenntniß des Verfassers von den verborgensten Falten des menschlichen Herzens wahre Ehre macht. Es ist unmöglich, ihn zu lesen, ohne die Süßigkeit eines solchen Verhältnisses für einen Mann von schönerem Genie zu fühlen. Es herrscht ein Geist darin, wie er mehrere Jahrhunderte später über den Briefen der Heloyse an Abelard gewehet hat. Ich setze ihn seinem Hauptinhalte nach hieher.

Die Veranlassung ist folgende: Menander war vom Könige Ptolomäus eingeladen worden, nach Aegypten zu kommen, um dort einige seiner Schauspiele vor ihm


  1. 37ster Brief des ersten Buchs.
  2. 39ster Brief des ersten Buchs.
  3. 38ster Brief des ersten Buchs.
  4. Der 4te im zweyten Buche.