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Walther Kabel: Raubtiere als Beschützer ihrer Herren. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 12, S. 215–219

Am nächsten Morgen war das Loch bereits so groß, daß der Bär den Kopf bequem hindurchstecken konnte. Als durch das angstvolle Heulen der Hyäne das Menageriepersonal aufmerksam geworden war, begab sich Helfort in den Käfig des Bären, um diesen anderswo unterzubringen. In demselben Augenblick aber stürzte sich der Bär auf ihn und warf ihn zu Boden. Von dem zu Hilfe eilenden Personal wurde das wütende Tier von außen mit Eisengabeln und Stangen bearbeitet, ohne daß es gelang, es von seinem Opfer abzubringen. Da zwängte sich die Hyäne, die von dem Menageriebesitzer dressiert war und mit großer Liebe an ihm hing, durch die Öffnung in der Schiebetür hindurch und stürzte sich wütend auf den Angreifer ihres Herrn. Wirklich ließ der Bär von Helfort ab und wandte sich gegen die Hyäne, die er dann auch mit wenigen Bissen abtat. Inzwischen gelang es den Leuten aber, ihren Direktor in Sicherheit zu bringen.

Die Bändigerin H. erzählt folgendes: „Ich arbeitete bis vor einigen Jahren mit einer Gruppe von Löwen und bengalischen Tigern. Trotzdem ich meine Tiere mit großer Liebe behandelte, war mir eine Tigerin nicht gerade sonderlich gut gewogen. Sie machte auch kein Hehl aus ihrer Abneigung mir gegenüber. Eines Abends versagte aus irgend einem Grunde plötzlich das Licht, und der Zirkus war ganz unerwartet in undurchdringliche Finsternis gehüllt. Ich lag eben auf der Schaukel, vor mir und hinter mir je ein Tiger und über mir auf zwei Säulen stehend ein Löwe. Die Tiger, durch die plötzliche Dunkelheit unruhig geworden, sprangen mit einem Satz ab, ich tat dasselbe und versuchte, mich rückwärts tastend, meinen Rücken an dem die Manege einfassenden Gitter zu decken. Kaum dort angelangt, sah ich auch schon zwei glühende Augen auf mich zukommen. Die Lage war nicht gerade angenehm, zumal ich nicht die geringste Waffe in der Hand hatte, denn die Peitsche legte ich stets beiseite, wenn ich die Schaukel bestieg. Da rief ich meinen Lieblingslöwen Faust herbei, der mir schon manche Probe seiner Anhänglichkeit gegeben hatte. Mit einem Sprung war er unten, stellte sich dicht vor mich, und sich in die Höhe richtend, verabfolgte er der sich anschleichenden

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Walther Kabel: Raubtiere als Beschützer ihrer Herren. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 12, S. 215–219. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Raubtiere_als_Besch%C3%BCtzer_ihrer_Herren.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)