Seite:Ravensburg Verkehrsleben 10.jpg

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Im 16. Jahrhundert entstanden regelmäßige Botenkurse, welche in periodischer Wiederholung bestimmte Orte miteinander verbanden. Zwei solcher Kurse berührten Ravensburg. Von da ab vermittelten sie mit Hilfe ihrer Anschlußverbindungen den größten Teil des in weitere Ferne sich bewegenden Verkehrs der Bewohner der Stadt. Den mit Norden und Süden bediente der von der Kaufmannschaft zu St. Gallen aufgestellte, zwischen dort und Nürnberg hin- und herfahrende Bote, während die Richtung nach Osten und Westen durch den von dem Magistrat und den Kaufleuten von Memmingen für die Strecke Memmingen–Ravensburg–Konstanz aufgestellte Ordinaribote besorgt ward. Auch die Ravensburger Obrigkeit kam von der mittelalterlichen Gepflogenheit, die Briefe auswärts durch eigens abgeschickte Expreßboten zu versenden, allmählich ab und bediente sich nun ebenfalls dieser viel billigern Ordinariboten.

Schon seit den Zeiten des Kaisers Maximilian I., als die ältesten Postkurse Deutschland zu durchziehen anfingen, ging ein solcher an Ravensburg vorbei, wenn auch ohne dort Station zu halten. Es war dies die österreichisch erbländische Postlinie, welche Innsbruck mit Freiburg im Breisgau und dem damals österreichischen Oberelsaß verband.[1] Die Ravensburg nächstgelegenen zwei Stationen waren Bergatreute und Markdorf; später aber, als man der schnellern Beförderung wegen die Stationsentfernungen verkürzte, Weingarten und Dürrnast, Gemeinde Taldorf. Dieser Postkurs dauerte bis 1806, d. h. solange als Österreich Besitzungen in Schwaben hatte. Indessen benutzte man in der Gegend diese Posten fast nur für den Briefverkehr mit Wien, Innsbruck und andern österreichischen Orten; für sonstige Richtungen verblieb man vorerst bei dem hergebrachten Ordinaribotenwesen.

Während des Schwedenkrieges, 1634/35, legte die sogenannte Reichspost, die übrigens genau genommen ein Thurn- und Taxissches Privatunternehmen war, eine Postlinie von Augsburg aus über Memmingen, Leutkirch und Wangen nach Lindau an. Der Postbriefverkehr Ravensburgs mit der Außenwelt, Österreich ausgenommen, ward von da an fast fünf Jahrzehnte lang durch das Postamt Lindau vermittelt. Ein Botenweiblein, die sogenannte Tampel Anne, erhielt von der Obrigkeit die Konzession, alle acht oder vierzehn Tage zwischen den beiden Städten die Postsachen hin und her zu tragen, soweit die Kriegswirren und die öfters auftretende Pest es zuließen.

Wenn die durch den dreißigjährigen Krieg herbeigeführte allgemeine Verarmung nach wiederhergestelltem Frieden einerseits dem Neuaufblühen von Handel und Verkehr sich wenig günstig erwies,[2] so hatte immerhin anderseits der lange Krieg in die starre Abgeschlossenheit des kleinstädtischen Fürsichalleinlebens manche Bresche gelegt und zugleich die Bevölkerung Deutschlands mit eisernen Fäusten durcheinander gerüttelt. Beides im Zusammenhang mit der nunmehr auf Wiederherstellung geordneter volkswirtschaftlicher Zustände gerichteten Tätigkeit brachte dennoch vielen vordem nie gesehenen Wandel und Verkehr und eine starke Ausbreitung des Post- und Botenwesens mit sich und damit


  1. [S. 10, Anm. 1:] G. Schöttle. Das Postwesen Oberschwabens in Fr. Webers Post und Telegraphie im Königreich Württemberg. 1901, S. 71/83
  2. [S. 10, Anm. 2:] Auf das Vorhandensein von Wohlstand läßt sich daraus keineswegs schließen, daß ein Ratsbeschluß von 1661 sich gegen die Kleiderpracht wendet, welche die niedern Volksklassen der Stadt, insbesondere die Frauenspersonen, ergriffen habe. Erstens werden das nur vereinzelte Fälle gewesen sein; weiter aber ist der leitende Beweggrund für dieses Einschreiten ziemlich durchsichtig: die höhern Stände betrachteten dergleichen „Hoffart und Übermut“ als einen Eingriff in ihre Standesvorrechte.