Seite:Ravensburg Verkehrsleben 17.jpg

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X. [Ravensburg wird württembergisch]

Diese betrübenden Umstände begannen den Ravensburger Wochenmarkt, der damals fast die einzige Erwerbs- und Nahrungsquelle der Stadt ausmachte, zu zerstören, und für das württembergisch gewordene Altdorf-Weingarten lagen die Verhältnisse jetzt so günstig wie noch nie, um die seit vier Jahrhunderten verfolgten Absichten verwirklichen zu können und den Ravensburger Marktverkehr ganz und gar dorthin abzulenken.

Dazu kam, daß Ravensburg, welches bis dahin der Knotenpunkt der Postkurse des südlichen Oberschwabens gewesen war, jetzt diese Stellung großenteils auch an Altdorf verlor. Die württembergische Regierung hatte nämlich die Posten in ihrem Land in eigene Verwaltung genommen und das Kursnetz gründlich umgestaltet, wobei natürlich die Interessen der eigenen Landesteile die Richtschnur bildeten.

Aus seiner mißlichen Lage wurde Ravensburg im Jahre 1810 unerwarteterweise erlöst durch eine neue Gebietsverteilung Napoleons. Es ward von Bayern, das anderweitige Entschädigung erhielt, neben verschiedenen andern Gebietsteilen an Württemberg abgetreten. Damit war die Lösung des Knotens herbeigeführt, wenn auch in andrer Weise, als es die Ravensburger sich gedacht hatten. In einer Bittschrift vom 26. Juli 1808 nämlich hatte der Handels- und Gewerbestand der Stadt dem König Max Joseph in beweglichen Worten seine Notlage geschildert und dabei einfließen lassen, sie könnten den innigsten Wunsch nicht unterdrücken, daß es der Vorsehung gefallen möchte, das umgebende Gebiet der Krone Bayern auch zu unterwerfen.

Nun, die neue Wendung, welche die Dinge nahmen, erzielte die beabsichtigte Wirkung gerade so gut; das Land rings um die Stadt stand mit dieser nunmehr unter einem und demselben Herrscher; der Sorgen wegen der schwergefährdeten wirtschaftlichen Zukunft der Stadt war man nun ledig, und die Freude der Einwohner über den Wechsel war keineswegs ein bloßer Akt der Höflichkeit, sondern in der Tat eine aufrichtig gemeinte, wenn auch freilich nicht ganz ungemischte. Neben dem, daß das württembergische Postamt zu Altdorf-Weingarten alsbald nach Ravensburg verlegt wurde, fielen jetzt vor allem vor den Stadttoren die Zollschranken,[1] welche die Stadt von ihrem ländlichen Zufuhr- und Absatzgebiet abgeschnitten hatten. Der Wochenmarkt ging wieder in die Höhe.

Freilich die schlimme Rheinbundszeit und ihre schweren Kriegslasten machten das Einleben in die neuen Verhältnisse nicht eben leicht, in Württemberg ebenso wie vordem unter Bayern, und die daraus folgenden Freiheitskriege und das Hungerjahr 1817 waren weit entfernt, schon eine Art von behaglichem Dasein aufkommen zu lassen. Es darf vielleicht auch an die Kontinentalsperre erinnert werden. Sie hatte für unsre Gegenden, wie überall, die Folge, daß die Kolonialwaren, die sich ja der süddeutschen Bevölkerung bereits unentbehrlich gemacht hatten, ungefähr auf das Dreifache im Preise hinauf gingen; ein Pfund Kaffee kostete 1811 in Ravensburg, statt vordem 48 Kreuzer, nun 2 Gulden 24 Kreuzer und ein Pfund Zucker anstatt 1 Gulden nun 3 Gulden.



  1. [S. 17, Anm. 1:] Die an den neuen Grenzen des Königreichs Württemberg noch fortbestehende Zollinie kam gegenüber Bayern im Jahre 1828 und gegenüber Baden 1836 durch die Zoll-Einigungsverträge in Wegfall.