Seite:Ravensburg Verkehrsleben 19.jpg

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als den 8. November 1847 die kleine Bahnstrecke Ravensburg–Friedrichshafen eröffnet wurde,[1] die vorderhand ohne Anschlußverbindung für sich bestand.

Während der ersten 11/2 Jahre beförderte diese kleine oberschwäbische Eisenbahn nur Personen.[2] Das, was ihre Fahrpläne damals an Zugsverbindungen darboten, war augenscheinlich darauf berechnet, für die Regel nur eine der beiden vorhandenen Lokomotiven, und zwar nur ausnahmsweise länger als ungefähr sieben Stunden im Tag, unter Dampf halten zu müssen. An den gewöhnlichen Wochentagen liefen in jeder Richtung bloß zwei Züge: Abgang aus Ravensburg mittags 12 und nachmittags 4 Uhr; Rückfahrt aus Friedrichshafen um 1 und 5 Uhr nachmittags. Am Samstag, als am Ravensburger Wochenmarkt, verkehrten drei und am Sonntag vier Züge.

Mit der Vollendung der Bahnstrecke Ravensburg–Biberach, im Sommer 1849, wurde die Bahnverbindung der Stadt eine zweiseitige, und jetzt ging man auch zum Gütertransport über. Seitab der Bahnen gelegene Orte fingen an, regelmäßige Omnibus- und Frachtfuhrverbindungen nach den ihnen nächstgelegenen Bahnstationen einzurichten.

Im Juni 1850 war die Überschienung der Schwäbischen Alb vollendet und damit der Anschluß der oberschwäbischen Bahnlinie an die gleichzeitig erbaute unterländische hergestellt und die ganze Strecke von Friedrichshafen an ohne Unterbrechung bis nach Heilbronn in Betrieb genommen. Jetzt verkehrten in Oberschwaben täglich drei Bahnzüge in jeder Richtung, je einer morgens, mittags und abends. Es waren zwei gewöhnliche Personenzüge und ein gemischter Güterzug. Von sonstigen Zugsgattungen war noch keine Rede, namentlich nicht von Schnellzügen und reinen Güterzügen.

Gegenüber den bescheidenen Verkehrsverhältnissen, wie sie vor sechs Jahrzehnten in der Säuglingsperiode unserer Eisenbahnen statthatten, möge erwähnt werden, daß gegenwärtig, September 1910, täglich zwischen Ravensburg und Friedrichshafen 41 fahrplanmäßige tägliche Züge laufen.[3] Entsprechend dem noch wenig entwickelten Verkehr war die bauliche Anlage und die Ausstattung der Bahn erheblich einfacher als gegenwärtig, und schienengleiche Straßenübergänge haben sich, selbst an Punkten mit sehr starkem Landstraßenverkehr, noch bis in die letzten Jahre erhalten. Die Lokomotiven heizte man auf der oberschwäbischen Linie anfänglich jahrelang nicht mit mineralischen Brennstoffen, sondern mit Forchenholz, von dem man 1848 täglich 3/4 württembergische Klafter verbrauchte.


  1. [S. 19, Anm. 1:] Im Sommer 1845, während die erste württembergische Bahnstrecke, nämlich Kannstadt–Eßlingen, sich ihrer Fertigstellung näherte, entschloß sich die Regierung auf Andrängen der oberschwäbischen Städte und der Abgeordnetenkammer, gleichzeitig auch die Linie Ulm–Friedrichshafen in Angriff zu nehmen, weil man besorgte, daß sonst dem württembergischen Oberland der vorteilhafte Absatz seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch die Konkurrenz des Getreides der bayrischen Donaugegenden möchte entzogen werden, mit Hilfe der damals ebenfalls schon geplanten bayrischen Eisenbahn von Augsburg nach Lindau. Überhaupt versprach man sich in Württemberg für die künftige Gestaltung des Verkehrs große Vorteile, wenn jenes der erste Staat sein werde, der den Bodensee mit der Eisenbahn erreiche. Nun ist zwar bei diesem Wettrennen Württemberg in der Tat als erstes am Ziel angekommen; allein die Erwartung, daß ihm damit der Löwenanteil an dem Transitverkehr auch für die Zukunft gesichert sei, hat sich nicht verwirklicht.
  2. [S. 19, Anm. 2:] Die schwäbische Chronik vom 15. und 16. Oktober 1846 enthält die älteste Personentransportordnung.
  3. [S. 19, Anm. 3:] 8 Schnell-, 5 Eil-, 13 Personenzüge, 4 Triebwagen, 3 Züge mit Personen- und Güterbeförderung, 8 Eil-, Stück- und gewöhnliche Güterzüge. Dazu kommen noch 3 Sonntagspersonenzüge und 2 Bedarfsgüterzüge.