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Ärgeres. Der Fascismus ist dabei groß und fett geworden, und der Verkehr mit zwei von Militärs repräsentierten Ministerien hat ihm das Air einer Nebenregierung gegeben. Wenn es zuerst hieß, die Generale bemühten sich, Hitler die Elemente der Legalität beizubringen, so hat er diesen Kursus nicht umsonst durchschmarutzt sondern genug gelernt, um die beflissenen Pädagogen auf durchaus legale Weise auf den Komposthaufen zu werfen.

Es liegt mir fern, Persönlichkeiten, deren martialischer Charakter über allen Zweifel erhaben ist, mit einem unfreundlichen Vergleich kränken zu wollen. Aber im Effekt unterscheidet sich eine Herrschaft von Generalen kaum von dem, was man von alters Weiberwirtschaft nennt. Wenn die kühlen disziplinierten Herren mit den silbernen Tressen selbsttätig zu politisieren anfangen, so sieht das nicht viel anders aus, als wenn liebenswürdige Wesen, deren Intelligenz im Uterus sitzt, den Staat nach ihrem Gusto ausstaffieren. Kabale, Alkovengetuschel, Machinationen, Begegnungen, von denen niemand nichts weiß; purzelnde Minister, aufsteigende Nobodies, kränkelnder Staat. Und am Ende ein riesengroßer Skandal. Ein Verbindungsoffizier wird in England Liaison officer genannt. Der Titel sollte auch in der Bendler-Straße eingeführt werden.

Nun kann man den Herren Generalen kaum einen Vorwurf daraus machen, daß sie ihre Vormachtstellung befestigen und selbst noch weiter vorstoßen. Denn sie ist ihnen ja eingeräumt worden von einer bürgerlichen Regierung, die sich gewiß sehr schlau vorkam, als sie Groener und Schleicher im Vordergrund plazierte. Vielleicht hat man auch gedacht, daß in diesen von Bürgerkriegswahn durchseuchten Zuständen schließlich einer von den Herren Lust haben könnte, den Primo de Rivera zu spielen, und da heißt es vielleicht manche Schererei ersparen, wenn die Regierung ihren Primo selber ernennt. Diese Kalkulation ist mit Getöse zusammengebrochen. Die Aera Groener endet mit einer solennen Generalsrauferei.

Der eigentliche Besiegte aber ist der Herr Reichskanzler. Wir wissen, daß Brüning vom ersten Tage seiner Kanzlerschaft an die Konzeption einer autoritären Demokratie im Kopfe trug, bei der ein katholisch-konservativer Block den Ausschlag geben sollte. Kein Kanzler hat bisher dem Liberalismus und der sogenannten formalen Demokratie ablehnender und skeptischer gegenübergestanden. Immer wieder wurde Brüning mit dem Monsignore Ignaz Seipel verglichen, ohne daß sich besonderes dagegen einwenden ließ. In dieser Konzeption Brünings spielte die Reichswehr wohl die vornehmste Rolle. Ihr fiel dabei die Verkörperung von Staatsmacht zu, sie war die Symbolisierung von Rute und Beil. Ein von christkatholischer Ethik überglänzter straffer Militärstaat, kategorischer

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Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Berlin: Verlag der Weltbühne, 10. Mai 1932, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rechenschaft_17.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)